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Der Frühjahrsmüdigkeit ein Schnippchen schlagen

von Dr. Inken Voges-Falkenberg +++ TEASER & LESEPROBE aus Feine Hilfen 57 +++

Die Beurteilung der knöchernen Strukturen des Schädels gehören auch zur osteopathischen Befundaufnahme. (Foto: Stefanie Blochwitz)

Die grauen Wintermonate sind geschafft, der Regen lässt nach, und die Böden werden trockener – der Frühling steht vor der Tür, und das bunte Leben kehrt in die Natur zurück. Endlich kann die Reitsaison wieder beginnen. Doch wie fit ist mein Pferd nach der Winterpause? Osteopathin Inken Voges-Falkenberg erklärt, wie wir das beurteilen können und worauf wir bei einem Frühjahrscheck achten sollten.

Ein bis zwei Wochen kann ein guttrainiertes Pferd seine Kondition ohne Training aufrechterhalten. Ein einfaches Wiederloslegen nach der Winterpause kann hingegen schnell zulasten der Pferdegesundheit gehen. Ein Antrainieren sollte nun unter optimalen Voraussetzungen stattfinden. Doch was sind die richtigen Voraussetzungen, und worauf sollte der Reiter achten? In der Spätherbst- und Wintersaison sind viele Pferde nur stundenweise draußen. Die Herdengröße beschränkt sich meist auf
zwei bis vier Pferde, die zwar ihre Nase in den Herbstwind halten können, viel Bewegung findet allerdings nicht statt – die Paddocks sind dafür meist zu klein, und die Bodenverhältnisse sorgen zusätzlich für Schwierigkeiten. Was vom Tage übrig bleibt, verbringen die Pferde stehend oder liegend in den Boxen – Bewegungsmangel pur.

Kontinuität im Kraft- und Ausdauertraining ist insbesondere für Reiter, die keine speziell auch bei dieser Witterung nutzbare Anlage oder Reitwege zur Verfügung haben, im Winter meist schwer aufrechtzuerhalten. Ohne Halle oder witterungsresistente Bodenbeschaffenheit des Reitplatzes wird es schwer, das Pferd kontinuierlich
zu trainieren.

Folgen des Bewegungsmangels

Die Psyche und der Bewegungsapparat leiden unter der mangelnden Bewegung, Energie staut sich an, was zu Stress und innerer Unruhe führt, die Gefahr von
Anschoppungskoliken erhöht sich. Die Muskulatur baut ab, die Elastizität des Halteapparates lässt nach, die Dehnfähigkeit reduziert sich. Kurzum, das
Exterieur der Pferde verändert sich im Winter aufgrund des Bewegungsmangels und der fehlenden Trainingsmöglichkeiten.
Sich abbauende Muskulatur bedeutet zugleich eine reduzierte allgemeine Kraft. Da ein stabiler Muskelmantel die Gelenke entlastet und sie in ihren Positionen sichert, kommt es zu einer vermehrten Belastung der Gelenke und zu rezidivierenden Blockaden.
Dies hat zur Folge, dass die Gelenkkapsel verspannt und die Muskulatur nicht mehr optimal arbeiten kann. Verspannungen entstehen, Hartspann einzelner Muskeln und Triggerpunkte innerhalb der Muskulatur bauen sich auf. Schonhaltungen und Schmerzen sind hier die Folgen. Gleichzeitig bedeuten lange, tägliche Stehzeiten eine reduzierte Durchblutung der Sehnen, die Sauerstoffversorgung und der Stoffwechsel sind gestört, die Sehnen können sich zurückbilden, woraus Sehnenschäden resultieren. Auch der
Lymphabfluss wird durch einen Mangel an Bewegung gehemmt, angelaufene, schwere Beine sind hier das Resultat.

Osteopathischer Frühjahrscheck
Werden die obengenannten körperlichen Veränderungen und Folgeverkettungen betrachtet, sollte jedem Reiter klar sein, dass ein Einfaches Wiederlosreiten nach dem Winter den Pferdekörper vor eine große Herausforderung stellt. Osteopathen haben im Frühjahr immer besonders viel zu tun. Die Pferdebesitzer möchten optimale Voraussetzungen
für das Wiederantrainieren schaffen und vereinbaren einen Termin zum osteopathischen Frühjahrscheck.
Hierbei kommen bei mir der Allgemein-, der Fütterungs- und der Trainingszustand, der Bewegungsapparat mit seinen kontraktilen und festen Strukturen, die Gelenke und das Equipment auf den Prüfstand. Das Anamnesegespräch und die erste Inspektion gibt der Pferdeosteopathin Aufschluss über das allgemeine Befinden und über ggf. vorliegende Probleme.

  • Zeigt sich das Pferd zu mager, oder hat sich eine gewisse Adipositas eingestellt?
  • Wie steht es um die Psyche? Wirkt das Pferd entspannt und ausgeglichen, oder stellt es sich eher müde und energielos dar? Ist der Gemütszustand aggressiv oder gereizt?
  • Was zeigt die Muskulatur? Hat über den Winter und die dadurch reduzierte Trainingszeit ein allgemeiner Abbau stattgefunden und, wenn ja, in welchem Ausmaß? Ist die Muskelatrophie an einer Körperstelle stärker wahrnehmbar als an einer anderen?
  • Weisen die Extremitäten aufgrund des Bewegungsmangels Schwellungen auf? Wenn ja, sind diese durch bereits bestehende Eiweißablagerungen hart, oder ist die Intensität des Ödems weich und damit bewegungsabhängig? Sind es Gallen, oder betrifft die Schwellung bereits das gesamte Röhrbein? Welche Beine sind stärker betroffen?

Ergänzend finden Bewegungsanalysen im Schritt an der Hand und in allen Gangarten an der Longe oder frei im Round-Pen statt.

Welche Auffälligkeiten zeigen sich in der Bewegung? Werden Seitenunterschiede sichtbar? Wirken Gangbild und Huffolge harmonisch und leichtfüßig? Liegt ein klarer Takt in allen drei bis fünf Gangarten vor? Auch die Hufe und deren Hornwachstum verändern sich mit den Jahreszeiten und werden in der Inspektion beurteilt.
Die Intensität des Wachstums ist rasse-, bewegungs- und wetterbedingt unterschiedlich. Die kalten Temperaturen und der Bewegungsmangel im Winter sorgen dafür, dass sich die Blutgefäße im Huf verengen, die Durchblutung ist reduziert, und die Hufe wachsen langsamer. Das feuchte Milieu der matschigen Böden greift die Hornsubstanz
und den Strahl zusätzlich an. Gefrieren die Böden, entstehen harte Unebenheiten, die die Hufe schnell ausbrechen lassen. Zum Teil verändert sich durch das Ausbrechen der Hufränder die Hufstellung und damit im weiteren Verlauf auch minimal die Stellung der Fesselung. Benötigt das Pferd aufgrund der witterungsbedingten Veränderungen unter Umständen eine Unterstützung in Form von Klebeeisen, Hufschuhen oder Eisen?

Die Beurteilung des Zahnstatus hat im Frühjahrscheck ebenfalls ihren Platz. Die Betrachtung des Mauls in Bezug auf Schleimhautverletzungen oder -vernarbungen,
Zahnstellungen, -menge, -zustand, Maulwinkelsituation, Zungenform und Größe sowie die Form der Laden ist besonders relevant. Da das weiche Gras eine ganz andere Struktur und Beschaffenheit als das im Winter bevorzugt gefütterte Heu und Stroh, unterliegen die Zähne je nach Jahreszeit einem unterschiedlich starken Abrieb. Regelmäßige Kontrollen bzw. Dentalbehandlungen zählen zu den notwendigen Behandlungen, die jedes Pferd in individuell unterschiedlichen zeitlichen Abständen dringend benötigt. Die sich anschließende Palpation der Muskeln, Sehnen, Faszien und knöchernen Strukturen gibt einen genaueren Eindruck über die Ausmaße möglicher Veränderungen und Pathologien. Muskuläre Dysbalancen und Verspannungen, Vernarbungen im Gewebe, Blockaden knöcherner Strukturen, Verklebungen der Faszien und des Unterhautbindegewebes, knöcherne oder muskuläre Asymmetrien, Überwärmungen und Schwellungen. Alle Auffälligkeiten werden schließlich im digitalen Befund notiert.
Auch eine Equipmentüberprüfung sollte zum Frühjahrscheck unbedingt dazugehören. Ich verschaffe mir dabei immer auch einen Eindruck davon, wie gut der Sattel passt. Sitzt er nach der Winterpause noch genauso gut wie in der intensiveren Trainingszeit davor? Ist er in der Schulter zu weit geworden, weil die Muskulatur im Widerristbereich
(M. trapezius und M. serratus) abgebaut hat? Sollte dies der Fall sein, liegt der Sattel vorn tiefer und beginnt zu kippen. In besonders schweren Fällen kann er auf der knöchernen Struktur des Widerrists aufliegen. Das gilt es unbedingt frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden.

Doch was, wenn sich die Rückenform aufgrund des Bewegungsmangels tatsächlich stark verändert hat? Eine gut trainierte Bauchmuskulatur stabilisiert den Rücken und „hält ihn oben“. Sinkt der Rücken ab, verstärkt sich der Schwung der Rückenlinie. Dies lässt sich besonders gut bei trächtigen oder adipösen Pferden erkennen. Beim abgesunkenen
Rücken entspricht die individuell angepasste Polsterung der Sattelkissen ggf. nicht mehr dem Schwung des Rückens. Infolgedessen kann es zur Brückenbildung kommen – der Sattel liegt nicht mehr gleichmäßig voll auf, sondern zeigt beidseits mittig der Sattellage weniger Kontakt zum Pferderücken bis hin zu einer Hohlraumbildung.

Durch die Brückenbildung wird die kraftaufnehmende Fläche der gesamten Polsterung verringert, was den Druck in den verbleibenden Kontaktbereichen der Polsterung und damit in der Muskulatur deutlich erhöht. Beurteilt wird außerdem der Zustand der Polsterung des Sattels. Wichtig ist hier die Symmetrie und der Härtegrad der Polsterung, welcher je nach Menge des innenliegenden Polstermaterials variiert. Weich und gleichmäßig ist hier erstrebenswert. Der Schwerpunkt der Sitzfläche des Sattels liegt im Optimalfall auf Höhe der 14. Rippe oder etwas davor. Die Position des Sattelschwerpunktes ist zusätzlich abhängig vom Reitergewicht und der Größe des Gesäßes.

(…)

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Dr. Inken Voges-Falkenberg

…  ist Physiotherapeutin M. Sc. und von der FN anerkannte Pferdeosteopathin. Ihre Ausbildung machte sie 2008 bei Barbara Welter-Böller in
Schneverdingen. Weiters bietet sie Dry Needling nach Andrea Schachinger und Craniosuturale Techniken für Pferde an. Wichtig ist ihr die interdisziplinäre
Zusammenarbeit mit dem Tierarzt, Hufexperten, Sattler und Trainer. In der kombinierten Behandlung von Pferd und Reiter sieht sie eine Chance, da die Schiefe des einen
die des anderen häufig bedingt.

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Category: Pferdegesundheit

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