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Achtsam ins Frühjahr starten

von Marus Schneider und Gabriele Metz +++ TEASER & LESEPROBE aus Feine Hilfen 57 +++

Wer nach längeren Pausen wieder ins Training einsteigt, sollte sich ein Aufbautraining überlegen. Beispielsweise durch die Bodenarbeit mit dem Kappzaum. (Foto: Céline Rieck)

Alle Jahre wieder wechselt ein Pferd zum Frühjahr hin sein Fell. Doch das ist lange nicht das Einzige, was sich durch den Winter bis ins Frühjahr alles verändern kann! Um fit und vital ins Frühjahr zu starten, sollte ein jeder Pferdebesitzer genau hinschauen, was sich vielleicht über die kalten Wintermonate bei seinem Vierbeiner alles verändert hat. Auch der zweibeinige Pferdebesitzer kennt es gut, denn die winterliche Weihnachtszeit mit vielen leckeren Plätzchen hinterlässt häufig ihre Spuren auf der Waage. Sie gehören dazu, die Veränderungen im Leben, und deshalb empfiehlt es sich, einen Frühjahrscheck durchzuführen.

Die Akademische Reitkunst ist ein ganzheitliches Ausbildungskonzept. Dazu gehört auch, ein immer waches Auge für Veränderungen beim Umgang mit dem Pferd zu haben. Denn Veränderungen körperlicher Natur bedeuten auch immer eine Anpassung an das Training oder an das Equipment, sagt der Meister der Akademischen Reitkunst, Marius Schneider. Das Ausbildungskonzept der Akademischen Reitkunst nach Bent Branderup befasst sich schwerpunktmäßig mit der Gymnastizierung des Pferdes. Doch nur wenn sich das Pferd wohlfühlt, können die Trainingsreize einer Ausbildung einen positiven Effekt erzielen.

Nicht jedes Pferd wird sich zum Frühjahr hin verändern, aber es gibt einige Gründe, die durchaus zu deutlichen Veränderungen führen können. Ein häufiger Grund für Veränderungen sind witterungsbedingte Unterbrechungen von Trainingsreizen, wenn beispielsweise keine Reithallennutzung möglich ist. Längere Pausen und zu wenig Bewegungsanreize können sich negativ auf die Geschmeidigkeit des Pferdes und somit auf die gesamte Durchlässigkeit beim Reiten oder der Bodenarbeit auswirken. Das spürt ein Reiter häufig durch auftretende Spannungen bei seinem Pferd. Bei der Erarbeitung von Stellung und Biegung wird das besonders deutlich. Somit müssen manche Übungen und Lektionen nach längeren Pausen erst wieder an Geschmeidigkeit gewinnen. Wer seinem Pferd den Winter über eine längere Trainingspause gönnt oder einfach keine adäquaten Trainingsbedingungen vorfindet, sollte sich Gedanken über richtiges Antrainieren machen. Ein Pferd vergisst bei korrekter Grundausbildung nichts, was es bereits verstanden hat.

Hierbei liegt die Betonung auf verstanden und richtig vermittelt. Alle Lektionen oder Übungen wird es auch nach langer Pause jederzeit abrufbar zeigen. Ein Pferd, das die Hilfen des Reiters verstanden hat, wird sich an diese auch immer direkt erinnern. Bei der Muskulatur sieht das schon etwas anders aus. Muskulatur kann sich auch erinnern,
wird jedoch durch lange Trainingspausen abgebaut. Kälte im Winter und der Fellwechsel zum Frühjahr zehren am Organismus der Pferde und können zusätzlich zu einem Muskelabbau führen. Ein rechtzeitiges Antrainieren bezieht sich also auf den Muskelaufbau und die Kondition des Pferdes, um motiviert und leistungsbereit in das Frühjahr zu starten.

Veränderungen mit unterschiedlichen Ursachen
Unabhängig von fehlendem Training könnte sich ein junges Pferd auch auf ganz natürliche Art und Weise über den Winter verändern. Und das zum Positiven, indem es deutlich an Masse gewinnt. Auch ein natürlicher Zahnwechsel kann zu einer Veränderung zum Frühjahr hin führen, die unter allen Umständen vom achtsamen Ausbilder des
Pferdes erkannt werden sollte. So könnte das junge Pferd zum Frühjahr hin empfindlich im Maulbereich werden und somit Unwohlsein am Gebiss zeigen, das es zuvor nicht gezeigt hat.

Wer sein Pferd zum Frühjahr hin wieder richtig fit und mobil machen möchte, sollte hinsichtlich des Equipments genau hinsehen. Verändert sich das Pferd, wird eine Anpassung der Hilfsmittel ebenfalls notwendig. Marius Schneider verwendet, da er immer individuell auf das Pferd eingehen möchte, entsprechend variables Equipment. So nutzt er am Kopf unterschiedliche Zäumungen, von gebisslos bis hin zur einhändig geführten Kandare. Auch wenn es um den Sattel geht, kommen bei ihm den Bedürfnissen
entsprechend unterschiedliche Varianten zum Einsatz.

Der Kappzaum
Ein weiteres wichtiges Tool in der Ausbildung ist für Marius Schneider der Kappzaum. Das vielseitige Werkzeug leistet immerhin sowohl bei der Ausbildung des jungen Pferdes als auch beim Erhalt der Fähigkeiten eines erfahrenen Pferdes wertvolle Dienste. Dabei ist er keine Innovation, sondern ein Hilfsmittel, dessen Wertschätzung bereits vor mehreren Jahrhunderten begann.

Geschichte des Kappzaums

Seine Blütezeit erlebte der Kappzaum in der Zeit der Renaissance und des Barocks. Antoine de Pluvinel, Johann Baptist Galiberti, Carlos de Andrade
(allesamt Reitmeister des 17. Jahrhunderts) und François Robichon de la Guérinière (18. Jahrhundert) setzten ganz unterschiedliche Varianten des Kappzaums ein und hatten auch in der Anwendung ihre ganz persönlichen Herangehensweisen. In ihren Schriften ist meistens vom Nasenband oder Caveçon die Rede. In den den Schriften
meist anhängenden Stichen erkennen wir unterschiedlich geflochtene Nasenriemen sowohl aus dicken, weichen Stricken als auch aus ganz dünnen. Außerdem sehen wir Nasenriemen aus breitem Gurtmaterial, aus rund genähtem Leder bis hin zu Ketten oder festen Naseneisen.

Manche Modelle weisen an den Innenseiten Zacken auf, andere sind weich gepolstert. Keiner dieser Kappzäume diente ausschließlich als Halfter, bei dem die Befestigung des
Stricks unter dem Kinn erfolgt. Pluvinels Pilarenzaum beispielsweise bestand aus Seilen, die ineinandergeflochten wurden und links und rechts an den Pilaren befestigt werden
konnten. Andere Modelle boten die Möglichkeit, Zügel oder eine Longe an einem der Ringe des Nasenriemens einzuschnallen.

Der Einsatz des Kappzaums verfolgte stets einen klar definierten Zweck. So beschrieb der Reitmeister Salomon de la Broue im 16. Jahrhundert:

„Der Kappzaum wurde erfunden, um das Pferd zu verhalten, aufzurichten, leicht an der Hand zu machen, es Wenden und Parieren zu lehren, ihm Kopf und Kruppe zu stellen, ohne das Maul und die Kinngrube des Pferdes zu beeinträchtigen, sowie auch die Schultern und die Vorderbeine zu erleichtern.“

Der Kappzaum ist ein wertvolles Werkzeug, wenn es darum geht, Stellung und Biegung eines Pferdes zu beeinflussen, das noch nicht sicher an den Sitz- und Zügelhilfen steht. Da die alten Reitmeister ihre Pferde in der Regel auf blanker Kandare ritten, nahm der Kappzaum eine noch größere Bedeutung ein. Denn eine Kandare ist nicht für eine einseitige Handeinwirkung zur Erarbeitung von Stellung und Biegung gedacht.

Gustav Steinbrecht, der berühmte Reitmeister des 19. Jahrhunderts, bedauerte die Vorurteile, die zu seiner Zeit gegenüber dem Kappzaum herrschten. Die Wichtigkeit einer sorgfältig erarbeiteten Stellung des Genicks für die Anlehnung und in einer späteren Phase der Ausbildung auch für die Rittigkeit beschreibt er folgendermaßen:

„Durch Zurücknehmen oder Verschieben des Unterkiefers nach rechts oder links gibt das Pferd dem biegenden Anzug scheinbar nach, die Wirkung bleibt aber in den gesteiften Teilen stecken und wird dadurch aufgehoben.“

Durch Verwendung des Kappzaums bleibt das empfindliche Maul des jungen Pferdes ganz unberührt, da die ersten Einwirkungen auf das Nasenbein ausgeübt werden. Dieser feste, knochige Teil kann dem Druck des Kappzaums nur durch Nachgeben des Genicks und der Halswirbel entgehen, und so war es mit dieser Zäumung möglich, die Pferde gründlich auf die Wirkung des blanken Stangengebisses vorzubereiten.

Wie muss der Zaum sitzen?
Auch wenn man mit einem gutsitzenden Zaum arbeitet, sollte man weiterhin die Reaktionen des Pferdes bewusst wahrnehmen.

(…)

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Marius Schneider

…  ist klassisch ausgebildeter Berufsreiter mit diversen Zusatzqualifikationen und hat bei namhaften Trainern und Instituten gelernt. Als Meister der Akademischen
Reitkunst widmet er sich mit Passion der Ausbildung von Pferd und Reiter sowohl auf seiner Reitanlage am Niederrhein als auch an internationalen Kursstandorten. Reiten, Bodenarbeit und angewandte Reitkunst in Form von Falknerei und Waffengängen zu Pferd runden die Ausbildung ab.

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Category: Pferdegesundheit

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