banner ad

Horsespeak- die Stimme der Pferde: Seitengänge

von Kirsti Ludwig +++ TEASER & LESEPROBE aus Feine Hilfen 51 +++

Auf der Basis von Vertrauen und reeller Biegung entspannt seitwärts unterwegs. (Foto: privat)

Sprechen Sie schon Pferdisch? Sharon Wilsies Konzept „Sprachkurs Pferd“ haben wir hier im Bookazin schon vorgestellt. Seit Ausgabe 46 der FEINEN HILFEN analysiert Sharon ­Wilsie daher für uns „Problemsituationen“. Sie erklärt Pferdereaktionen in realen Situationen und zeigt Lösungen auf, die dank des Verständnisses für die Reaktion des Pferdes und daraus resultierender Kommunikation auf Augenhöhe mit dem Pferd möglich werden. In dieser Ausgabe stellt sich Kirsti Ludwig als deutsche Schülerin von Sharon Wilsie dem Thema „Seitengänge und Kommunikation“. Vielleicht fragen Sie sich jetzt, wie Horsespeak, also ein Pferdesprachkurs, uns bei einem Reitthema helfen sollte. Kirsti Ludwig versucht in dieser Ausgabe, darauf eine Antwort zu geben. 

Eine der wichtigsten Voraussetzungen für effizientes und nachhaltiges Lernen ist Angstfreiheit. Horsespeak kann dazu beitragen, dass Ihr Pferd angstfrei leben kann. Allein um diese Grundlage zu schaffen, lohnt es, sich mit Horsespeak zu beschäftigen. Es geht immer nicht „nur“ darum, die Beziehung zu verbessern – eine gute Kommunikation ist die Basis für so viel mehr.

Wenn wir ein Pferd aus dem Stall oder der Herde nehmen, also aus einem (im optimalen Fall) geschützten Raum, dann ist es unsere Aufgabe, den Schutz, den die Herde sonst bietet, zu übernehmen. Tun wir das nicht, kann es passieren, dass sich das Pferd nicht auf Lektionen wie das Schulterherein konzentrieren und sie demnach auch nicht auszuführen lernen kann. Gerade das Schulterherein ist für das Fluchttier Pferd eine Lektion, die verlangt, dass es eine weitere Sicherheit aufgibt: Durch die Innenstellung wird das Sichern des Horizonts über das eigene Blickfeld unmöglich. Dies kann dafür sorgen, dass Pferde sich gerade im Schulterherein nicht korrekt stellen lassen oder die Stellung nicht halten. Aus Sicherheitsgründen ist es ihnen lieber, nach außen zu gucken – leider ist dadurch aber die ganze Lektion für den Eimer. Wie aber erreichen wir durch Horsespeak, ihm die Sicherheit zu geben, die es braucht, um sich auch in einer solchen Lektion fallen lassen zu können und uns sowie der Situation und der Umgebung zu vertrauen?

Vertrauen zum Lehrer

Neben der Umgebung ist auch die Persönlichkeit des Lehrers für den Erfolg entscheidend. Mag ich ihn? Vertraue ich ihm oder nicht? Himmle ich ihn vielleicht sogar an? Ist Letzteres der Fall, dann werde ich alles tun, um ihm zu gefallen, auch wenn ich es eigentlich für sinnlos erachte. Reiten generell ist für ein Pferd sicher tendenziell sinnbefreit. Kein Pferd würde auf die Idee kommen, in der freien Natur, ohne dass es irgendwen beeindrucken oder ausweichen müsste, über ein Feld zu traversieren – weder, weil es ihm Spaß macht, noch, weil es fit bleiben will. Warum in aller Welt sollte es das nun für einen Menschen tun? Die Chancen stehen besser, wenn es seinen Menschen wirklich mag. 

Geben und Nehmen

Das Horsespeak-Stichwort ist hier „Enrichment“, so etwas wie Bereicherung, wir würden es wahrscheinlich auf Neudeutsch als Qualitytime bezeichnen. Eine Beziehung besteht immer aus Geben und Nehmen. Entscheidend ist, was gegeben wird. Zeit und Empathie stehen hier deutlich über Glitzerstirnbänder. Ein gemeinsamer Spaziergang etwa. Statt dabei ins Handy zu gucken, fände das Pferd es sicherlich gut, wenn wir währenddessen darauf eingingen, was es interessant findet und wovor es sich fürchtet. Auch mit dem Pferd das Heu zu teilen oder ansonsten herauszufinden, was es für Vorlieben und „Hobbys“ hat, gehört dazu. Möglichkeiten gibt es viele, wenn man es nur will.

Die Buttons und Körpersprache 

Horsespeak bietet uns die Möglichkeit, Vorwärts, Seitwärts, Dehnung oder auch Versammlung über die Buttons am Körper des Pferdes, also so, wie es ein Pferd tun würde, abzufragen. Sie kennen die Buttons noch nicht? Sharon Wilsie hat herausgefunden, dass Pferde immer die gleichen Körperstellen ansprechen, um bestimmte Botschaften auszutauschen. Diese Botschaften können etwa lauten: „Komm mit“, „Bleib weg“ oder „Wollen wir spielen?“ Machen wir Menschen uns diese Buttons zu eigen, lernen wir, was sie bedeuten und sie situationsabhängig anzuwenden, dann können wir im Alltag, in der Bodenarbeit und beim Reiten präziser und damit angenehmer, leiser und tatsächlich effektiver werden!

Am Boden auf Augenhöhe mit dem Pferd kann man die Körpersprache und das Wissen um die Buttons umfänglich einsetzen. Pferde unter sich lernen durch das Spiegeln der Körpersprache des anderen. Pferde haben keine Hände. Sie kommunizieren daher über ihre Beine. Jeder einzelne Schritt hat eine Bedeutung. Wichtig wird also, sich sehr bewusst zu werden, wie man sich selbst bewegt, bevor man von dem Pferd etwas möchte. Möchte man dann die Seitengänge qualitätsvoll erarbeiten, ist sicherlich einer der sinnvollsten Wege die Bodenarbeit. 

Durch die richtige Kommunikation wird dies leichter, und richtige Freude macht es, wenn man den Spaß dabei nicht aus den Augen verliert. Dazu kann man z. B. Übungen wie das Fußvergnügen nutzen (die Anleitung finden Sie in Sharon Wilsies „Sprachkurs Pferd“, Kosmos Verlag).

Raum wichtiger als Nähe

In der Bodenarbeit sind wir oft sehr nah dran am Pferd. Durch Horsespeak haben wir aber gelernt, dass für Pferde als Beute und Fluchttiere Raum wichtiger ist als Nähe. Daher ist es sinnvoll, vorab zu klären, ob das Betreten der persönlichen Blase bzw. das Angefasstwerden für das Pferd in Ordnung ist. Ein guter Punkt aus Pferdesicht für eine erste Berührung bzw. die Anfrage, ob diese in Ordnung ist, ist der Grooming Button am Widerrist, nicht der Friendly Button im Gesicht. 

Eine Frage des Vertrauens 

Das Lösen des Genicks geschieht oft über den Nasenrücken, teils auch seitlich über die Berührung des Genickes. Dies sind für Pferde zwei äußerst sensible Stellen. Durch den „Bridge of the Nose“-Button haben wir Einfluss auf das gesamte Skelett des Pferdes, sich hier anfassen zu lassen ist eine Vertrauensfrage. Ebenso der „Folge mir“-Button im Genick. Abgesehen davon, dass schlechtes Reiten für körperliche Verspannungen in diesem Bereich sorgt, fühlen sich Pferde hier verwundbar. Diese Stelle wird im Kampf benutzt, um Angreifer unschädlich zu machen. 

Möchte ich mit einem Pferd entspannt arbeiten, ist es ratsam, die Reaktion dieser beiden Punkte zu klären und gegebenenfalls zu verbessern. Die „Du bist mir zu nah, ich will von dir nicht angefasst werden“-Anspannung schleppt man sonst immer mit. 

Einige Philosophien wie die Anhänger Bauchers beispielsweise lösen Kiefer und Genick gerne über das Gebiss. Bei diesem Vorgehen hantiert man oft sehr nahe am Play-Button, dem Punkt seitlich am Maul, über den Pferde sich gegenseitig zum Spielen auffordern. Das erklärt, warum gerade junge Pferde bei den so durchgeführten Abkauübungen durchaus „unerwünschte Reaktionen“ zeigen können. 

Der „Folge mir“-Button ist übrigens auch interessant bezüglich des „Dehnens im Stand“. Eine zu hohe oder enge Kopfhaltung erschwert eine korrekte Stellung oder macht sie unmöglich (Processus paracondylaris). Hintergrund dieser Haltungen ist Stress und meist auch ein Mangel an Vertrauen. Der „Folge mir“-Button übermittelt eine Botschaft aus drei Stufen, die wir alle gut gebrauchen können: „Folge mir in das Vorwärts, in die Freundschaft und damit in die Entspannung.“ Psychologischen Rückhalt in dieser „Lehrsituation“ können Sie Ihrem Pferd übrigens bieten, indem Sie es „einchecken“ lassen, ihm also Ihren Handrücken jedes Mal anbieten, wenn ein Pferd danach fragt. Sie antworten ihm darüber: „Alles ist gut“ oder beginnen das Gespräch neu.

Überdies ist der „Bridge of the ­Nose“-Button körperlich und auch emotional verbunden mit dem „Sit down“- Button (Hinterbein auf Höhe des Knies rückseitig). Dieser Zusammenhang ist interessant für das Thema Versammlung: „Setz dich!“ Im rein körperlichen Sinne: „Aktiviere dieses Hinterbein!“ (…)

Sie möchten den Artikel zu Ende lesen? Hier können Sie das Einzelheft FEINE HILFEN Ausgabe 51 als Print-Version bei CADMOS bestellen.

Kirsti Ludwig

… ist Trainerin und Autorin zweier Bücher zur Ausbildung von Gangpferden. Ihr ist daran gelegen, Pferde (jeglicher Rasse) nicht nur körperlich, sondern auch mental in Balance zu bringen. Die Basis für Letzteres stellt für sie Horsespeak nach Sharon Wilsie dar. Sie darf als erste Trainerin in Deutschland dieses Konzept von Sharon Wilsie in Kursen vermitteln.

 
Weitere Infos (Foto: Maximilian Ludwig)
 
 

Diese Ausgabe steht Ihnen auch als ePaper im PDF-Format im Online-Kiosk zur Verfügung. Die Ansicht ist mit jedem PDF-Viewer auf allen mobilen Geräten, PCs und Macs möglich. Der nebenstehende LINK führt Sie direkt zum Online-Kiosk

Tags: , , , , , , , , , , ,

Category: Besondere Themen, Dressur

Leave a Reply