Zwischen Formgebung und Emotion
Wo bleibt da die Balance?
von Anna Eichinger
Pferdeausbildung bedeutet, sich an den biomechanischen Grundsätzen (in jüngster Zeit auch durch die Ideen der Biotensegrity) zu orientieren. Wieder bei Udo Bürger können wir nachschlagen: „Die Reitkunst hat ihre Gesetze, wie jede andere Kunst. Ein Verstoß gegen diese tut weh, ebenso weh wie eine Dissonanz in einem auf Harmonie aufgebauten Musikstück oder als wenn ein Maler sich über das Gesetz des Goldenen Schnitts hinwegsetzen würde.
Die ersten Gesetze verlangen:
1. Erhalte die natürliche Bewegung.
2. Entwickle und festige den Takt.
3. Finde und fördere die Balance.
Aus diesen ersten drei Gesetzen baut sich – als Resultat – die Form und Haltung des Pferdes auf.“ Das Rezept klingt einfach, jedoch stellen wir uns als Ausbilder unserer Pferde die Frage: Wie sollen wir den Pferden welchen Inhalt erklären? Welche Hilfen stehen uns zur Verfügung und wie erschaffen wir eine gemeinsame Sprache? Vor der Kunst kommen also die Technik und die Lehrzeit, in der wir uns nach und nach einen vollen Werkzeugkoffer zur Kommunikation mit dem Pferd erschließen. Durch die starke Fokussierung auf unseretechnischen Fertigkeiten und die korrekte Ausführung von Bewegungsabläufen gerät allerdings die Frage nach der emotionalen Balance zusehends ins Hintertreffen. Ist es nicht so, dass wir uns etwa in einem Schulterherein mehr Gedanken darüber machen, wohin sich das innere Hinterbein in der Spielbeinphase bewegt, ob das äußereHinterbein ausreichend Last aufnimmt, Formgebung, Biegung und Stellung erhalten bleiben und das Pferd tatsächlich in der äußeren Schulter leicht wird? Hand aufs Herz – wie oft fragen wir uns im Schulterherein, wie sich das Pferd dabei fühlt?
Die Macht der Gefühle
Vergessen wir niemals: Ein Pferd fühlt sich so, wie es läuft, und es läuft so, wie es sich fühlt. Dieser Satz unterstreicht deutlich, dass wir Emotionen in der Pferdeausbildung nicht links liegen lassen dürfen. Das tun wir als Reiter auch nicht, aber wir stellen unsere eigenen Emotionen viel stärker in den Vordergrund, wenn etwas nicht so gelingt, wenn wir selbst viele Fragezeichen haben, unsicher sind ob unserer eigenen Kompetenz in Sachen Bewegung und als Ausbilder unseres Pferdes.
Es geht aber nicht um unsere eigenen Gefühle – wünschen wir uns nicht ein selbstbewusstes Pferd, das auch gern Zeit mit uns verbringt? Um dieses Ziel zu erreichen, stelle ich mir folgende Fragen immer wieder bei der Ausbildung:
• Wie viele Angebote machen wir dem Pferd? Das betrifft grundsätzlich das Angebot, mit uns Zeit zu verbringen. …
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Category: Aktuelle Themen, Dressur