Ist Reiten noch zeitgemäß?
… von Maksida Vogt | Meinung |
Diese Frage zu stellen, ist wie eine Tür zu öffnen – eine Tür zu einem anderen Bewusstsein. Ist es an der Zeit, diese Frage zu stellen? Sind wir kollektiv so weit, damit wir sie verstehen und uns weiterentwickeln können?
Vor etwa fünf Jahren waren wir vielleicht noch nicht so weit. Aber heute, im Angesicht so vieler Menschen, die täglich mit ihren Pferden etwas völlig anderes leben als das, was in einem durchschnittlichen Reiterstall passiert, ist diese Frage eine Konsequenz der Weiterentwicklung der Menschheit. Und trotzdem wird sie vielen als unrealistisch erscheinen, ja fast unglaublich. Wir begegnen Fragen, was wir mit den Pferden dann tun sollen oder ob die Pferde eventuell aussterben werden, wenn der Mensch sie nicht für eigene Zwecke benutzt. Nun, fast alle Reiter werden sagen, dass sie ihre Pferde lieben, nicht wahr? Hört diese Liebe etwa beim Reiten auf? Lieben wir unsere Pferde nur, weil wir sie „gebrauchen“? Und können wir dann überhaupt von Liebe sprechen? Vielleicht sind wir in unserer Gesellschaft einfach so abgestumpft, dass wir glauben, immer etwas im Gegenzug bekommen zu müssen? Dass wir nicht ein Lebewesen von Materie unterscheiden können? In der Tat gibt es sehr viele solche Menschen, die etwas anderes mit Pferden entdeckt haben, als sie zum Reiten oder für sonstige Zwecke zu benutzen: Liebe und Freundschaft.
Wenn man in einem Gefängnis der traditionellen Wahrnehmung gefangen ist, dann ist es schwer, sich eine Pferdehaltung anders als in Boxen oder auf Minikoppeln vorzustellen. Pferde sind in dieser Wahrnehmung Reittiere. Dazu gehört auch die schmerzhafte Unterwerfung der Pferde durch das Benutzen der Gebisse, um mit ihrem Schweiß und Blut den eigenen Unterhalt zu erwirtschaften. Oder aber „nur“ fürs Freizeitreiten, um ein bisschen Entspannung zu erfahren. Wenn ich in diesem traditionellen Denken gefangen bin, dann erscheint es für mich normal, wie die Menschen um mich herum handeln. Wie soll man denn auch etwas anderes denken? Zu stark sind die Ketten in der Reiterszene, es gibt Vorgaben, die man einzuhalten hat, oder man wird schnell als Außenseiter abgestempelt, der sein Pferd nicht unter Kontrolle hat. Und das Pferd muss schließlich dem Menschen gehorchen und auf die kleinste Aufforderung hin alles machen, was der Reiter möchte, nicht wahr? Es ist viel bequemer, im Reiterstübchen zu sitzen und zu plaudern, als komisch angeschaut zu werden, weil man gegen den Strom schwimmt.
Wird ein Reitschüler seinen Reitlehrer hinterfragen? Ihn fragen, woher die Information stammt, dass die Pferde auf dem Gebiss kauen sollen? Sein Wissen über die Anatomie der Pferde hinterfragen? Was macht so ein Gebiss im Pferdemaul, warum fließt der Speichel so, wenn man dem Pferd dieses Fremdobjekt ins Maul schiebt und von ihm komische Figuren zur Belustigung der Menschen abverlangt? Und wird diese/r Reitlehrer/in in der Lage sein, dieses zu erklären? Man wird üblicherweise Folgendes zu hören bekommen: „Wenn das Pferd auf dem Gebiss kaut, dann ist das ein Zeichen der Entspannung. Das ist erwünscht.“
Wenn man einmal die Gelegenheit bekommen hat, fundiertes Wissen darüber zu erfahren, dann erscheinen einem solche Erklärungen als der Gipfel der Ignoranz und man fragt sich, wie man nur so blind sein und diesen Unsinn glauben konnte. Wie konnte man seine Augen für die Leiden des Tieres verschlossen halten, das man so sehr liebt und mit dem man meist täglich zu tun hat? Und wenn man dann so weit ist, sich dessen bewusst zu werden – dann gibt es keinen Weg mehr zurück, denn dann erkennt man immer mehr. Sogar Kinder wissen, dass sie nicht gleichzeitig laufen und essen können. Auch beim Pferd löst das Gebiss im Maul automatisch Speichelbildung und Kaureflex aus, ist also mit der Nahrungsaufnahme verbunden und nicht mit körperlicher Anstrengung. Das Pferd erfährt enormen Stress, denn durch die vermehrte Speichelproduktion läuft es Gefahr, den Speichel einzuatmen. Es muss kämpfen, um atmen zu können! Der Speichel fließt und die Reiter glauben, dass es so sein soll. Wenn unsere Katze anfangen würde, so zu schäumen, würden wir sofort den Tierarzt konsultieren, nicht wahr? Warum sollte das beim Pferd anders sein?
Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass Pferde gesundheitliche Probleme beim Tragen der Gebisse haben und schwere Verletzungen erleiden, auch wenn der Reiter eine sogenannte „leichte Hand“ hat. Man braucht sich nur zu informieren, die Beweise sind erdrückend! Aber das größte Problem an den Gebissen ist, dass diese Tradition Jahrtausende zurückreicht, seitdem der sogenannte Vater der Reitkunst, Xenophon, den Pferden eine Stachelrolle ins Maul legte, um ihren Willen zu brechen und Gehorsam zu erzwingen. Ein Gebiss ist der Ausdruck der Angst des Reiters vor dem Freiheitswillen des Pferdes.
Was also, wenn wir diejenigen sind, die konditioniert sind, etwas Falsches zu tun? Es ist ähnlich wie mit der Einstellung bezüglich Gewalt gegenüber Frauen – einmal akzeptierte und unterstützte Praktik wird als normal betrachtet, und man erfindet Gründe, um sie zu rechtfertigen: „Ohne Gebiss macht das Pferd, was es will. Du hast es nicht unter Kontrolle.“ „Eine Tracht Prügel hat noch keiner Frau geschadet.“ Ein solcher (Irr-)Glauben erzeugt auch Akzeptanz im Opfer. Man benutzt das Gebiss, und schon hat man einen Sklaven, der mit Schmerz zu kontrollieren ist. Das Problem beim Verwenden der Gebisse ist nicht der Schmerz, es ist das Leugnen desselben.
Und genauso verhält es sich mit dem Reiten auch. Wie viele Menschen gibt es, die kein einziges Mal das Benutzen der Gebisse hinterfragt haben? Das Hinterfragen des Reitens steht noch eine Stufe höher. Man muss sich selbst weiterentwickeln, sich selbst infrage stellen und hinterfragen, um all das zu verstehen. Denn verstehen können wir etwas nur, wenn wir es erfahren. Und erfahren können wir es nur, wenn wir Neues ausprobieren. Wenn wir etwas wagen.
Es gibt kein Tier, das über die Jahre so missbraucht wird wie ein Pferd. Und es passiert alles vor unseren Augen, wir schauen zu, wir sind vielleicht sogar ein Teil davon. „Sportpferd“ ist eine Diagnose. Je nachdem, in welchem „Sport“ es eingesetzt wird, kann man ziemlich genau sagen, woran es leidet. Aber wie durchbricht man diese traditionell gepflegte Ignoranz in der Pferdeszene, wie geht man gegen eine solche gigantische Industrie vor? Viele Menschen interessiert es gar nicht, wie es den Pferden geht, sie wollen mit ihnen Geld verdienen. Der Fall Totilas passiert vor unseren Augen. Organisationen, die massenhafte Tierquälerei organisieren, sind legitim erlaubt. Menschen besuchen diese Events, sie amüsieren sich und klatschen. Sie führen ihre neuesten Hüte vor, trinken Champagner und halten Small Talk. Und die Pferde bluten. Und die Pferde sterben an den Rennbahnen. Und die Pferde sind in den Boxen eingesperrt. Nie eine Herde. Nie eine Familie. Rationiert mit Futter. Beschlagen. All ihrer natürlichen Bedürfnisse beraubt.
Das ist unser Spiegel. Wir sind krank. Wir sind so weit vom Leben entfernt, dass wir das ausüben und zulassen können. Wir haben keine Verbindung mehr mit dem Leben. Wir ehren das Leben nicht. Wir missbrauchen sogar solche sanftmütigen Wesen wie die Pferde. Solche noblen, großzügigen Tiere, von denen wir so viel lernen können, brechen wir. Wir wollen ihnen unseren Willen aufzwingen. Wir scheuen nicht davor zurück, jegliche Mittel zu nehmen, um unsere Ziele zu erreichen. Wir haben als Vorbilder die Menschen, die voll sind mit ihrem inneren Schmerz, die uns die Tortur an den Pferden vorleben und uns aufmuntern, das Gleiche zu tun. Die üblichen Bilder aus den Reithallen tanzen vor meinen Augen. Menschen auf den Pferderücken üben ausgedachte Figuren. Versuchen etwas nachzumachen, die Pferde in bestimmte Positionen zu bringen; die Reitlehrer schreien, die Pferde kämpfen. Gebogene Genicke, angespannte Körper, unerträgliche Schmerzen, angsterfüllte Augen, Verzweiflung … und die Menschen sind blind. Sie fühlen nicht. Sie folgen.
Ist dieses Reiten, das wir überall um uns sehen können, noch zeitgemäß? Passt das zu dem Aufwachen der Menschheit? Es ist zu brutal, zu schmerzerfüllt, zu unterdrückend und ignorant, damit es überleben kann. Die Menschheit ist spirituell unterernährt, sie will mehr wissen, mehr fühlen und mehr leben. Es ist nicht möglich, einem anderen Wesen Schmerz zuzufügen und trotzdem auf Erleuchtung zu hoffen.
Wir suchen die Wege der Heilung, denn wir spüren, dass wir herauswachsen aus den bestehenden verkrusteten Strukturen. Dieses führt uns zu einem anderen Denken und Handeln. Das, was gestern noch normal war, erscheint heute grotesk. Es ist nur ein kleiner Schritt und wir sehen die Welt vollkommen anders. Die Pferde können unsere Begleiter auf diesem Weg sein und uns die Richtung weisen – wenn wir den Mut finden, ihren freien Willen zu respektieren und uns selbst zu befreien. Wir wollen frei sein, die Pferde wollen es auch.
Nein, Reiten ist nicht mehr zeitgemäß, es ist ein Relikt aus der Vergangenheit. Sich dem zu stellen ist ein Teil unserer Heilung. Wie wunderbar, dass wir uns die Frage stellen können.
Maksida Vogt ist Autorin des Buches „Befreie dein Pferd – befreie dich selbst“, das im Frühjahr 2013 bei Cadmos erscheint.
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Danke für Ihr Verständnis.
Category: Besondere Themen
Hallo Fr. Vogt-
Ich habe grade ihr Buch gekauft und mich vor dem Lesen etwas im Internet herumgetrieben und nun denke ich, dass ich diesen Artikel wohl nicht ohne Vorbereitung hätte lesen sollen, denn er hat mich emotional sehr berührt, im Grunde kann ich sagen, in eine Krise geworfen.
Ich bin 19 Jahre alt und habe seit ich 6 bin mit Pferden zu tun- erst 2 Jahre in einer Reitschule gelernt, wie man auf Pferden sitzt, mich dann der Islandpferdereiterei verschrieben.
Seit 4 Jahren nun besitze ich eine eigene Islandpferdestute, die ich erworben habe als sie einerthalb war. Zu der Zeit habe ich sie in eine Jungpferdeherde gesteckt und sie zwei Jahre lang nur besucht.
Dann habe ich das Reiten angefangen, ihr alles selbst beigebracht, zunächst mit Halfter und ohne Sattel, später auch mit Gebiss und Sattel. Seit einiger Zeit liegt der Sattel nun schon zu Hause- im Grunde fast noch wie neu aber ich gehe trotzdem mit ihr ins Gelände.
Seit einiger Zeit nun wechsel ich schon die Höfe- ich bin unzufrieden mit der Haltung, Fütterung, Herdenzusammenstellung. Wenn ich auf einen neuen Hof komme lüge ich bei der Anzahl an Höfen, auf denen ich vorher schon war, um nicht schräg angeguckt zu werden.
Ich merke, dass ich und mein Pferd unglücklich mit jeglichen Umständen sind, sie hat Gewichts- und seit einem Sturz, Knieprobleme.
Letztens fragte mich jemand, der Reiten beigebracht bekommen wollte, ob Reiten denn überhaupt pferdefreundlich ist, ich merkte wie ich stutzte und trotzdem antwortete, dass, wenn ich das Vertrauen des Pferdes habe, reiten in Ordnung sei.
Nun bin ich in einem Zwiespalt. Ich vermisse seit längerer Zeit das Glücksgefühl beim Reiten, im Umgang mit meinem Pferd. Auf der anderen Seite vermisse ich das Handwerkszeug, es auch ohne JEGLICHEN Zwang zu erreichen.
Mein Traum ist es immernoch, im Tölt oder Gallopp über die Wiesen zu fegen. Nun ist mir bewusst, dass dies für das Pferd nicht NATÜRLICH ist.
Gibt es denn ihrer Meinung KEINE Möglichkeit, dass dies einem Pferd nun doch gefallen könnte? Muss ich meinen Traum aufgeben wenn ich komplett zwanglos mit meinem Pferd umgehen möchte? Darf ich, theoretisch, nochnichtmal mehr mein Pferd anbinden um es zu putzen?
Liebe Paula,
vielen Dank für Ihren emotionellen und ehrlichen Beitrag. Ich freue mich sehr, dass Sie sich auf diese Gedanken eingelassen haben, sie zeigen die Sorge um das Wohl Ihres Pferdes. Das ist auch der Grund, der mich und andere Menschen bewegt hat, über den üblichen Umgang mit dem Pferd hinaus zu gehen und etwas neues zu entdecken. Auch Ihre Unzufriedenheit mit den Höfen und der Versorgung der Pferde ist mir nicht unbekannt und hat mich am Ende dazu geführt, selbst einen Hof kaufen zu müssen, um eine optimale Haltung für die Pferde gestalten zu können. Ein Schritt führt zu dem anderen, wie ich in dem Buch schreibe, wenn man sich einmal auf dem Weg der WAHRhaftigkeit befindet, es ist unmöglich in Scheinwelten zu leben.
Ich denke, Sie befinden sich auf diesem Weg. Diese alle Mängel in der Haltung, die Sie sehen können (und andere Reiter gar nicht merken), der Verlust des Glücksgefühls beim Reiten – das sind deutliche Zeichen dafür.
Als ich zum reiten aufgehört habe, hat man mir gesagt, das wäre nur für ein Jahr (als Bedingung um die Elemente der Hohen Schule frei lehren zu können) und das war für mich in Ordnung. Wenn man mir damals gesagt hätte, dass ich die traditionelle Reiterei (der Reiter möchte reiten und das Pferd wird dazu benutzt) für immer aufgeben würde, ich bin mir nicht sicher, wie ich reagiert hätte. Sie sind jetzt plötzlich mit dieser Idee konfrontiert und es ist schwer, weil Sie noch nicht „heil“ sind (Sie verstehen wahrscheinlich was ich damit meine, wenn Sie mein Buch gelesen haben). Erst wenn der Wunsch zum reiten verschwinden wird, erst dann werden Sie heil sein, so dass Ihr Pferd sich Ihnen komplett öffnen kann. Dann werden sich eventuell die Momente ergeben, wenn Ihr Pferd sie dazu einladen wird oder es wird sich aus der Situation heraus ergeben, dass Sie auf seinem Rücken einen Galopp oder Tölt erleben können. Den Unterschied zu der traditionellen Reiterei ist so gewaltig, dass Sie sich wahrscheinlich fragen werden, wie so quälen sich so viele Reiter nur und warum fällt es ihnen so schwer aus den traditionellen Denkboxen heraus zu brechen. 🙂
Und, im Übrigen, versuchen Sie ihr Pferd frei zu putzen, damit geben Sie ihm die Gelegenheit zu zeigen ob es das auch möchte. Versuchen Sie einfach so viel wie möglich mit Ihrem Pferd frei zu tun, dann werden Sie sehen, was das Pferd sagt. Falls Sie Ausbildung auf der Basis des freien Willens lernen möchten, dann besuchen Sie einfach meine Seite, maksidavogt.com oder kommen Sie in Academia, academialiberti.de. Da werden Sie gleichgesinnte Menschen treffen, Sie sind herzlich willkommen.
Liebe Grüße
Liebe Frau Vogt,
ich bin versucht, Ihren Artikel auszudrucken und in unserer Reitschule auszuhängen, allerdings befürchte ich, dass er dort auf Unverständnis stoßen dürfte. Wie auch immer, vielleicht würde es helfen, ein Umdenken einzuleiten, wenn nicht bei allen, so doch hoffentlich bei einigen.
Auch bei mir ist es so, dass mir immer wieder gesagt wird, dass ich mich zu wenig durchsetze, die Zügel kürzer nehmen solle, mehr Druck aufbauen müsse usw usf. Das alles ist gegen meinen Willen.
Das Reiten in der Bahn widerstrebt mir. Wenn überhaupt Reiten, dann lieben mein Pferd und ich Ausritte in die Natur. Mein Pferd läuft freudig und fleißig, wenn er merkt, dass es nicht Richtung Unterricht geht sondern Richtung Wald. Er ist ein Rentner, war vor meiner Zeit Dressurpferd, dann Schulpferd bis seine Beine immer nur noch dick und warm waren. Kurz vor Ende seiner Schulpferdkarriere haben wir uns kennengelernt (bin Wiedereinsteigerin) Nun steht er seit einem Jahr privat und es geht ihm sicherlich besser als je zuvor.
Wir machen wenig Dressurunterricht mit, eigentlich nur, weil einem immer eingeredet wird, dass man eben „müsse“, damit das Tier nicht gänzlich aus dem Training kommt.
Ihr Artikel gibt mir Mut, das auszuleben, was mir schon länger als richtig erscheint.
Es ist mir absolut zuwider, wenn ich sehe, wie einige (wenige) Leute, die ich kenne auf ihre Pferde einwirken, an den Zügeln zerren, um ihnen ihren Willen aufzuzwingen.
Was ich auch erst kürzlich bei Facebook erfahren habe, ist, dass es sogar eine Szene gibt, die das auch noch macht, um eine gewisse Art der Befriedigung zu erreichen, genau diese Machtausübung über das „wilde Tier“ ist der springende Punkt. Wie pervers und eklig ist der Mensch?
Schon seit längerem bin ich der Ansicht, dass der Erde nur etwas Gutes noch passieren kann: dass wir uns selbst vernichten, damit alle anderen Spezies in Frieden leben können. Ich versuche, den Tieren in meinem Umkreis bestmöglich ihr Leben artgerecht zu ermöglichen. Mit Ihrem Artikel und der Vorstellung Ihrer Arbeit kann ich noch viel dazulernen. Danke dafür!
Liebe Rita,
vielen Dank für Ihren ermutigenden Beitrag. Es freut mich immer von Menschen zu hören, die selbst sehen, dass in der Reitszene so vieles schief läuft. Ich wünsche Ihnen viel Mut auf Ihrem Weg. Sie sind herzlich willkommen in Academia, http://www.academialiberti.de, dort finden Sie gleichgesinnte Menschen und Unterstützung. Beste Grüße
Sehr geehrte Frau Vogt,
ich kann den Gedanken von Frau Müller-Sturmhövel und Frau Müller-Probst nur in vollem Umfang zustimmen!
Natürlich haben Sie, Frau Vogt, Recht wenn Sie über Zwang und Schmerz sprechen, über fragwürdige Methoden in der Reiterei und den Miss-ge-brauch des Pferdes. Mehr als genug Reiter haben leider keine Ahnung von der Biomechanik und Anatomie des Pferdes, geschweige denn davon wie sie ihren eigenen Körper am besten bewegen ohne Schaden zu nehmen.
Aber bei allem Respekt und aller Zustimmung für Ihre vertretene Auffassung empfinde ich manche Ihrer Statements doch als sehr pauschalisierend. Ich teile durchaus Ihre Auffassung zur artgerechten Pferdehaltung, zur natürlichen Hufbearbeitung mittels barhuf und zum würde- und respektvollem Umgang mit dem Pferd.
Wollen Sie wirklich ALLE Ausbilder über einen Kamm scheren? Ich denke ich schon, dass z.B. die von Frau Müller-Probst genannten Ausbildernamen bessere Ansätze haben. Denken sie diese Ausbilder arbeiten alle mit Zwang? Zwang, weil ein Gebiss oder Kappzaum am Pferd ist womit ich Signale an das Pferd weiterleiten kann? Woran machen sie Zwang bei Ausbildern wie Pignon aus? Ist Kommunikation, in der ich meinem Pferd meine Wünsche oder selbst ein Nein verständlich mache, Zwang? Die Ansätze der genannten Ausbilder beruhen zu einem großen Teil auf dem Wissen der „Alten Meister“ und werden durch eigene Erfahrungen und Gedanken z.B. zur Biomechanik aus der heutigen Zeit weiterentwickelt.
Lateroflexion, also eine Seitwärtsbiegung, kann die Wirbelsäule des Pferdes nicht leisten, da haben sie Recht! Aber wie schaut es aus mit der Rotation aus der inneren Hüfte, der Wirbelsäule und des Brustkorbes um eine Kreislinie zu gehen?
Meinen Sie wirklich, ein Herr Branderup zum Bsp. hat sich nicht intensiv mit der Biomechanik, der Anatomie, Psychologie, dem Verhalten und der Kommunikation von Mensch und Pferd beschäftigt oder mit der Anatomie des Hufes? Bei wenig anderen Ausbildern habe ich je soviel anatomisches und biomechanisches Gedankengut bezüglich der Reiterhilfen gefunden und von niemandem so intensive Betrachtungen über die funktionellen Bewegungsabläufe wie bspw. die Rotation der Hüfte, die nötige freie 3-dimensionale Schwingung der Wirbelsäule gehört und praktisch demonstriert bekommen, im Übrigen mit barhuf laufenden Pferden in Lehreinheiten von oft weniger als 15-20 min Dauer.
Dass ein großer Teil der Reitlehrer nicht in der Lage ist die Hilfengebung biomechanisch zu begründen, zu analysieren, pferdegerecht und reiterverständlich so zu erklären, dass die Reiter nicht umhin kommen über das, was sie tun nachzudenken, ist natürlich dramatisch genug, schlimmer noch, dass sich manche darüber psychologisch und verhaltensmässig auch keine Gedanken machen wie es dem „Partner Pferd“ geht.
Wie Sie schon sagen -im Vergleich zum Reitsport- muss man sich schämen Reiter zu sein und man bliebe dann besser neben dem Pferd am Boden. Da teile ich Ihre Beschreibungen voll und ganz.
Aber was, wenn es eben diese „anderen“ biomechanischen, psychologischen, pferdegerecht kommunikativen Ansätze doch gibt, wie von Frau Müller-Sturmhövel und Frau Müller-Probst angesprochen?
Diese in Abrede stellen?
Natürlich kann man dann die Frage stellen, wo die Grenze zu ziehen ist. Die Grenze zwischen Zwang und Freiwilligkeit. Aber deswegen sind noch lange nicht alle Pferde zu Robotern abgerichtet.
Als Akademikerin im doppelten Sinne möchte ich mich kurz auf Ihre „Literaturrecherche“ zu „Körperliche Schäden durch Reiten“ beziehen. Die Schäden, welche in den von Ihnen angeführten Untersuchungen am Pferd nachgewiesen wurden sind nicht von der Hand zu weisen. Da haben sie zweifelsfrei Recht.
Interessant wäre die Frage in wie weit sich alle Untersuchungsergebnisse der von Ihnen zusammengetragenen praktischen Studien ausschließlich auf Sportpferde, oder sagen wir mal konventionell gerittene Pferde beziehen.
Es wäre diesbezüglich interessant zu wissen, welcher Kategorie die Probandenpferde der jeweiligen Studien zuzuordnen waren, welcher Art des Reitens diese Pferde unterzogen waren, wann und wie sie gearbeitet und angeritten wurden, wie sie gehalten wurden (Box, Offenstall), welcher Hufbeschlag oder Barhuf etc…
Geht man noch genauer ins Detail wäre ebenso von Interesse von welcher Rasse die untersuchten Pferde waren. Lässt sich vielleicht ein Unterschied feststellen zwischen den modernen Sportpferden und den anderen Rassen (Spanier, Robustrassen, Ponies etc)?
Sind die Ergebnisse der aufgeführten Studien nachweislich direkt auf das Reiten zurückführbar?
Hat nicht auch eventuell die heutige Pferdezucht schon Schuld daran, dass junge Pferde schon Schäden aufweisen? Reitpferde benötigen Tragkraft und eine dementsprechende Balance. Heutzutage haben der Großteil der Pferde und Ponys mehr Schubkraft und die Balance der Pferde ist dadurch noch mehr in Richtung Vorhand verschoben.
Können diese heutigen „Zuchtprodukte“ einen Reiter „tragen“ im richtigen biomechanischen Verständnis, dass durch die Hinterhand der Brustkorb, auf dem der Reiter draufsitzt, getragen wird – aus einer freien Form ohne Zwang…?
Diese Detailfragen stellten sich mir beim Lesen der von Ihnen zusammengefassten Ergebnisse der empirischen Studien.
Hinsichtlich der Problematik „Schädigungen durch Reiten“ wären spezifizierte Probandengruppen ja wesentlich um verallgemeinerte Interpretation der Ergebnisse auszuschließen. Haben Sie in Ihrer Recherche dazu Hinweise gefunden?
Durchaus interessant wäre ein Vergleich jener Studien mit Untersuchungen an Pferden die aufgrund biomechanischer durchdachter Ausbildungsmethoden gearbeitet werden. (kein Reiten vor dem 5.Lj, Offenstall-, Herdenhaltung, korrekte Fütterung und barhufpflege…)
Dann könnte man die These erörtern, ob Reiten auf Pferden der heutigen Zuchtprodukte und mit der heute gängigen Ausbildungs- und üblichen Haltungsmethode noch zeitgemäß ist.
In jedem Falle werfen Sie mit Ihrem Artikel ein interessantes Thema auf, welches durchaus Wert ist, es auch radikal in die Reiterwelt zu werfen!
Mit vielen grüßen aus Leipzig
Friederike Uhlig
Liebe Frau Uhlig,
vielen Dank für Ihren tollen Beitrag. Die vielen Fragen, die Sie in den Raum werfen, finde ich sehr gut, denn sie bewegen wahrscheinlich viele Reiter. Ich versuche Ihre Fragen so gut ich kann, zu beantworten. Seit Jahren bilde ich Pferde in Freiheit aus. Daher kann ich eindeutig sagen, die Ausbilder, die Gebisse benutzen, haben sich nicht mit der Anatomie und Biomechanik des Pferdekörpers in dem Sinne auseinander gesetzt, damit sie für das Wohl der Pferde arbeiten können. Sie haben sich vielleicht damit auseinander gesetzt im Sinne, wie sie dem Pferd am schnellsten (für jeweiligen Ausbilder vertretbaren) Weg etwas beibringen. Diese Ausbilder sagen meist: Du steuerst das Pferd mit dem Sitz, alles kommt aus dem Sitz, wenn man reiten kann. Ich frage: wenn das so ist, warum benutzen diese Ausbilder die Gebisse? WARUM?
Ich frage Sie, Frau Uhlig, warum benutzen Sie das Gebiss? Wenn Sie die Studien über den Schaden, welche diese Folterinstrumente in dem Pferdemaul anrichten,lesen – können Sie das weiterhin tun? Jeder Reiter glaubt, er hätte eine leichte Hand. Sogar eine Anky van Grunsven glaubt das, obwohl wir alle sehen, was sie macht, nicht wahr? Dürfen wir zulassen, dass diese Schmerz – und Kontrollmittel weiterhin legal erlaubt sind, wenn wir solche Leute sehen und wissen, dass jeder sie benutzen darf? Wäre es nicht im Sinne der Pferde, wenn wir die Gebisse verbieten würden und das Reiten nur im Halfter erlauben würden? Weil, man macht sowieso alles mit dem Sitz (wenn man der alten Schule folgt), oder?
Wenn alle Reiter ihre Pferde im Halfter und 15-20 min reiten würden, dann wäre diese Welt für die Pferde um EINIGES erträglicher. Da mache ich schon den Unterschied nach dem Sie fragen. Solche Ausbilder sollten mehr in die Öffentlichkeit rücken, wir brauchen solche Menschen, als neue Idole in der Reitszene. Ich glaube, das wäre auch für die Reiter erleuchtender, denn die Pferde würden dann ganz anderes kommunizieren. Viele Reiter würden ihre Fehler sehen können. Viele Probleme würden sich von alleine lösen, das Leben mit den Pferden wäre viel einfacher. Da wo etwas mit Schmerz erzwungen wird, kann keine Freude aufkommen.
Die Punkte, die Sie bezüglich der Studie ansprechen, sind sicherlich gültig. Ich bemühe mich einen Weg zu finden, genau solche Studie zu organisieren, die alle diese Punkte berücksichtigt, die Sie erwähnt haben (Sie haben hier sehr weit gedacht, das gehört in eine solche Studie alles rein). Wie Sie sich sicherlich vorstellen können, das ist kein leichtes Unterfangen. Persönlich bin ich sehr daran interessiert, denn ich möchte sehen, ob sich meine Thesen dadurch bestätigen (wovon ich vorerst ausgehe).
Auch die Fragen bezüglich der Zucht, die Sie stellen, sind absolut gültig. Ich hoffe, dass wir eine solche Studie auf die Beine stellen können, sie wäre sicherlich sehr interessant.
Nochmals vielen Dank für Ihre Offenheit, sich mit diesem Thema auseinander zu setzen. Liebe Grüße