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Ist Reiten noch zeitgemäß?

Foto © Maksida Vogt

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… von Maksida Vogt | Meinung |

Diese Frage zu stellen, ist wie eine Tür zu öffnen – eine Tür zu einem anderen Bewusstsein. Ist es an der Zeit, diese Frage zu stellen? Sind wir kollektiv so weit, damit wir sie verstehen und uns weiterentwickeln können?

Vor etwa fünf Jahren waren wir vielleicht noch nicht so weit. Aber heute, im Angesicht so vieler Menschen, die täglich mit ihren Pferden etwas völlig anderes leben als das, was in einem durchschnittlichen Reiterstall passiert, ist diese Frage eine Konsequenz der Weiterentwicklung der Menschheit. Und trotzdem wird sie vielen als unrealistisch erscheinen, ja fast unglaublich. Wir begegnen Fragen, was wir mit den Pferden dann tun sollen oder ob die Pferde eventuell aussterben werden, wenn der Mensch sie nicht für eigene Zwecke benutzt. Nun, fast alle Reiter werden sagen, dass sie ihre Pferde lieben, nicht wahr? Hört diese Liebe etwa beim Reiten auf? Lieben wir unsere Pferde nur, weil wir sie „gebrauchen“? Und können wir dann überhaupt von Liebe sprechen? Vielleicht sind wir in unserer Gesellschaft einfach so abgestumpft, dass wir glauben, immer etwas im Gegenzug bekommen zu müssen? Dass wir nicht ein Lebewesen von Materie unterscheiden können? In der Tat gibt es sehr viele solche Menschen, die etwas anderes mit Pferden entdeckt haben, als sie zum Reiten oder für sonstige Zwecke zu benutzen: Liebe und Freundschaft.

Wenn man in einem Gefängnis der traditionellen Wahrnehmung gefangen ist, dann ist es schwer, sich eine Pferdehaltung anders als in Boxen oder auf Minikoppeln vorzustellen. Pferde sind in dieser Wahrnehmung Reittiere. Dazu gehört auch die schmerzhafte Unterwerfung der Pferde durch das Benutzen der Gebisse, um mit ihrem Schweiß und Blut den eigenen Unterhalt zu erwirtschaften. Oder aber „nur“ fürs Freizeitreiten, um ein bisschen Entspannung zu erfahren. Wenn ich in diesem traditionellen Denken gefangen bin, dann erscheint es für mich normal, wie die Menschen um mich herum handeln. Wie soll man denn auch etwas anderes denken? Zu stark sind die Ketten in der Reiterszene, es gibt Vorgaben, die man einzuhalten hat, oder man wird schnell als Außenseiter abgestempelt, der sein Pferd nicht unter Kontrolle hat. Und das Pferd muss schließlich dem Menschen gehorchen und auf die kleinste Aufforderung hin alles machen, was der Reiter möchte, nicht wahr? Es ist viel bequemer, im Reiterstübchen zu sitzen und zu plaudern, als komisch angeschaut zu werden, weil man gegen den Strom schwimmt.

Wird ein Reitschüler seinen Reitlehrer hinterfragen? Ihn fragen, woher die Information stammt, dass die Pferde auf dem Gebiss kauen sollen? Sein Wissen über die Anatomie der Pferde hinterfragen? Was macht so ein Gebiss im Pferdemaul, warum fließt der Speichel so, wenn man dem Pferd dieses Fremdobjekt ins Maul schiebt und von ihm komische Figuren zur Belustigung der Menschen abverlangt? Und wird diese/r Reitlehrer/in in der Lage sein, dieses zu erklären? Man wird üblicherweise Folgendes zu hören bekommen: „Wenn das Pferd auf dem Gebiss kaut, dann ist das ein Zeichen der Entspannung. Das ist erwünscht.“

Wenn man einmal die Gelegenheit bekommen hat, fundiertes Wissen darüber zu erfahren, dann erscheinen einem solche Erklärungen als der Gipfel der Ignoranz und man fragt sich, wie man nur so blind sein und diesen Unsinn glauben konnte. Wie konnte man seine Augen für die Leiden des Tieres verschlossen halten, das man so sehr liebt und mit dem man meist täglich zu tun hat? Und wenn man dann so weit ist, sich dessen bewusst zu werden – dann gibt es keinen Weg mehr zurück, denn dann erkennt man immer mehr. Sogar Kinder wissen, dass sie nicht gleichzeitig laufen und essen können. Auch beim Pferd löst das Gebiss im Maul automatisch Speichelbildung und Kaureflex aus, ist also mit der Nahrungsaufnahme verbunden und nicht mit körperlicher Anstrengung. Das Pferd erfährt enormen Stress, denn durch die vermehrte Speichelproduktion läuft es Gefahr, den Speichel einzuatmen. Es muss kämpfen, um atmen zu können! Der Speichel fließt und die Reiter glauben, dass es so sein soll. Wenn unsere Katze anfangen würde, so zu schäumen, würden wir sofort den Tierarzt konsultieren, nicht wahr? Warum sollte das beim Pferd anders sein?

Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass Pferde gesundheitliche Probleme beim Tragen der Gebisse haben und schwere Verletzungen erleiden, auch wenn der Reiter eine sogenannte „leichte Hand“ hat. Man braucht sich nur zu informieren, die Beweise sind erdrückend! Aber das größte Problem an den Gebissen ist, dass diese Tradition Jahrtausende zurückreicht, seitdem der sogenannte Vater der Reitkunst, Xenophon, den Pferden eine Stachelrolle ins Maul legte, um ihren Willen zu brechen und Gehorsam zu erzwingen. Ein Gebiss ist der Ausdruck der Angst des Reiters vor dem Freiheitswillen des Pferdes.

Was also, wenn wir diejenigen sind, die konditioniert sind, etwas Falsches zu tun? Es ist ähnlich wie mit der Einstellung bezüglich Gewalt gegenüber Frauen – einmal akzeptierte und unterstützte Praktik wird als normal betrachtet, und man erfindet Gründe, um sie zu rechtfertigen: „Ohne Gebiss macht das Pferd, was es will. Du hast es nicht unter Kontrolle.“ „Eine Tracht Prügel hat noch keiner Frau geschadet.“ Ein solcher (Irr-)Glauben erzeugt auch Akzeptanz im Opfer. Man benutzt das Gebiss, und schon hat man einen Sklaven, der mit Schmerz zu kontrollieren ist. Das Problem beim Verwenden der Gebisse ist nicht der Schmerz, es ist das Leugnen desselben.

Und genauso verhält es sich mit dem Reiten auch. Wie viele Menschen gibt es, die kein einziges Mal das Benutzen der Gebisse hinterfragt haben? Das Hinterfragen des Reitens steht noch eine Stufe höher. Man muss sich selbst weiterentwickeln, sich selbst infrage stellen und hinterfragen, um all das zu verstehen. Denn verstehen können wir etwas nur, wenn wir es erfahren. Und erfahren können wir es nur, wenn wir Neues ausprobieren. Wenn wir etwas wagen.

Es gibt kein Tier, das über die Jahre so missbraucht wird wie ein Pferd. Und es passiert alles vor unseren Augen, wir schauen zu, wir sind vielleicht sogar ein Teil davon. „Sportpferd“ ist eine Diagnose. Je nachdem, in welchem „Sport“ es eingesetzt wird, kann man ziemlich genau sagen, woran es leidet. Aber wie durchbricht man diese traditionell gepflegte Ignoranz in der Pferdeszene, wie geht man gegen eine solche gigantische Industrie vor? Viele Menschen interessiert es gar nicht, wie es den Pferden geht, sie wollen mit ihnen Geld verdienen. Der Fall Totilas passiert vor unseren Augen. Organisationen, die massenhafte Tierquälerei organisieren, sind legitim erlaubt. Menschen besuchen diese Events, sie amüsieren sich und klatschen. Sie führen ihre neuesten Hüte vor, trinken Champagner und halten Small Talk. Und die Pferde bluten. Und die Pferde sterben an den Rennbahnen. Und die Pferde sind in den Boxen eingesperrt. Nie eine Herde. Nie eine Familie. Rationiert mit Futter. Beschlagen. All ihrer natürlichen Bedürfnisse beraubt.

Das ist unser Spiegel. Wir sind krank. Wir sind so weit vom Leben entfernt, dass wir das ausüben und zulassen können. Wir haben keine Verbindung mehr mit dem Leben. Wir ehren das Leben nicht. Wir missbrauchen sogar solche sanftmütigen Wesen wie die Pferde. Solche noblen, großzügigen Tiere, von denen wir so viel lernen können, brechen wir. Wir wollen ihnen unseren Willen aufzwingen. Wir scheuen nicht davor zurück, jegliche Mittel zu nehmen, um unsere Ziele zu erreichen. Wir haben als Vorbilder die Menschen, die voll sind mit ihrem inneren Schmerz, die uns die Tortur an den Pferden vorleben und uns aufmuntern, das Gleiche zu tun. Die üblichen Bilder aus den Reithallen tanzen vor meinen Augen. Menschen auf den Pferderücken üben ausgedachte Figuren. Versuchen etwas nachzumachen, die Pferde in bestimmte Positionen zu bringen; die Reitlehrer schreien, die Pferde kämpfen. Gebogene Genicke, angespannte Körper, unerträgliche Schmerzen, angsterfüllte Augen, Verzweiflung … und die Menschen sind blind. Sie fühlen nicht. Sie folgen.

Ist dieses Reiten, das wir überall um uns sehen können, noch zeitgemäß? Passt das zu dem Aufwachen der Menschheit? Es ist zu brutal, zu schmerzerfüllt, zu unterdrückend und ignorant, damit es überleben kann. Die Menschheit ist spirituell unterernährt, sie will mehr wissen, mehr fühlen und mehr leben. Es ist nicht möglich, einem anderen Wesen Schmerz zuzufügen und trotzdem auf Erleuchtung zu hoffen.

Wir suchen die Wege der Heilung, denn wir spüren, dass wir herauswachsen aus den bestehenden verkrusteten Strukturen. Dieses führt uns zu einem anderen Denken und Handeln. Das, was gestern noch normal war, erscheint heute grotesk. Es ist nur ein kleiner Schritt und wir sehen die Welt vollkommen anders. Die Pferde können unsere Begleiter auf diesem Weg sein und uns die Richtung weisen – wenn wir den Mut finden, ihren freien Willen zu respektieren und uns selbst zu befreien. Wir wollen frei sein, die Pferde wollen es auch.

Nein, Reiten ist nicht mehr zeitgemäß, es ist ein Relikt aus der Vergangenheit. Sich dem zu stellen ist ein Teil unserer Heilung. Wie wunderbar, dass wir uns die Frage stellen können.

Maksida Vogt ist Autorin des Buches „Befreie dein Pferd – befreie dich selbst“, das im Frühjahr 2013 bei Cadmos erscheint.

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Wir freuen uns auf eine niveauvolle Diskussion. Bitte teilen Sie uns Ihre kompetente Ansicht zu der Frage „Ist Reiten noch zeitgemäß?“ mit. Frau Vogt wird Ihre Kommentare beantworten. Bitte geben Sie der Autorin und unserer Redaktion dafür ein paar Tage Zeit. Sie werden verstehen, dass wir nur qualifizierte und zum Thema passende Kommentare veröffentlichen. Auf unserer facebook-Page wird zu diesem Thema keine Diskussion geführt.

Danke für Ihr Verständnis. 

 

Category: Besondere Themen

Comments (115)

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  1. C. Müller-Probst sagt:

    Reiten ist unzeitgemäß? Ein durchaus interessanter Gedanke, aber wenn Sie nur körperliche Schmerzen und Schäden anprangern wollen, was ist dann mit Menschen wie Bent Branderup, Honza Blaha, Karl Ferdinand Hempfling oder den Pignon-Brüdern, die versuchen, dem Reiten einen ethisch, psychisch und biomechanisch besseren Ansatz zu liefern?
    Ich selbst übe mich seit bald 18 Jahren im Umgang mit Islandpferden, in deren Ausbildung Zwang und unnatürliche Körperhaltung leider sehr oft eine Rolle spielt, obwohl diese Rasse eigentlich grundsätzlich in Offenstallhaltung in Herden gehalten wird. Dennoch hatte ich das Glück, bei Ausbildern zu lernen, denen natürliche Lebens- und Verhaltensweisen sowie biomechanisch freundliches Reiten am Herzen liegt. Und es zeigt Wirkung: Die meisten der so gerittenen Pferde sind bis über das Einsetzen der Altersschwäche ab ca. 25 Jahren hinaus voll belastbar, motiviert und entwickeln keine Unarten. Sobald Stoffwechsel und Kräftenachlass beginnen, ihren Tribut zu fordern, dürfen die Tiere ihren Lebensabend vollkommen frei auf ausreichend großen Weiden verleben. Aber immer wieder gibt es einzelne Pferde, die ihr Rentnerdasein nicht akzeptieren möchten. Sie blühen regelrecht auf, wenn man sie ab und zu auf den Hof holt, um mit ihnen ein paar leichte Übungen zu machen, und entwickeln Kräfte, die ihnen niemand mehr zugetraut hätte.
    Zwar ist jedes Pferd anders, aber mir scheint, dass die meisten Pferde gern mit Menschen arbeiten – auch unter dem Sattel, solange man Schmerz auf das kleinstmögliche Minimum reduziert.
    Außerdem möchte ich an dieser Stelle darauf hinweisen, dass jede gebisslose Zäumung ebenso viel Schmerz verursachen kann wie eine Kandare. Ich habe schon viele vernarbte Nasenrücken oder Genicke von Pferden gesehen, deren umweltbewusste Freizeitreiter sich besonders tierfreundlich verhalten wollten. Ohne eine fundierte Ausbildung kann kein schmerzfreies Reiten funktionieren. Und Dreh- und Angelpunkt jeder reiterlichen Ausbildung ist der korrekte Sitz. Wer richtig sitzen kann, seinen Körper unter ausreichender Kontrolle hat und in der Lage ist, sein Pferd ausreichend zu sensibilisieren und motivieren, der braucht irgendwann keine Hilfsmittel mehr. Aber der Weg dorthin ist lang und steinig.
    Trotzdem: Welcher Reiter, der einmal das berühmte Zentaurengefühl erfahren hat, diesen perfekten Moment der vollendeten harmonischen Kommunikation zwischen Vier- und Zweibeiner, der eine tatsächliche Einheit zu schaffen scheint, würde dies je wieder missen wollen?
    Warum scheinen Sie nicht zu glauben, dass ein Kompromiss möglich ist? Warum so radikal?

    Mit freundlichen Grüßen,
    C. Müller-Probst

    • Maksida Vogt sagt:

      Liebe/r Frau/Herr Müller-Probst,

      vielen Dank für Ihren Beitrag, ich finde Ihre Fragen werden die Einstellung vieler Reiter spiegeln. Jeder von diesen Herren, die Sie genannt haben, tut das beste, was er kann, davon bin ich überzeugt. Aber ich würde das nicht einen psychisch und biomechanisch besseren Ansatz nennen (vielleicht nur im Vergleich zu der Sportreiterei), denn eine solche Behandlung des Pferdes fügt dem Pferd Schmerzen und Schaden zu (sei es Gebiss in dem Maul, Sporen, Pillaren (psychisches Brechen des Pferdes), das Pferd abrichten und aus ihm einen Roboter machen oder die Pferde stundenlang reiten und abrichten und das danach als Freiheitsdressur präsentieren). Das alles hat nichts mit Gesundheit oder Wohlbefinden des Pferdes zu tun, es hat mit Ego und Beherrschung zu tun. Einzig Klaus Hempfling würde ich ein wenig rausnehmen, in seinem Buch sieht man ihn meist neben dem Pferd, auf dem Boden und er setzt sich sehr stark für die freie Arbeit mit dem Pferd und gegen sogenannten Pferdesport. Trotzdem sehe ich die Arbeit von jedem Trainer, der einen besseren (von seinem Standpunkt aus) Umgang mit dem Pferd lehrt, als sehr begrüßenswert und gut.
      Wenn wir aber nach den uns verfügbaren Informationen und Erkenntnissen gehen sollen, dann versuche ich das so zu formulieren: wenn ich mein Körper trainieren und abnehmen möchte, dann gehe ich nicht zu einem dicken Fitnesstrainer und genauso gehe ich nicht zu einem Pferdetrainer, der den Schaden durch die Gebisse oder Beschlag nicht versteht. Ein Trainer muss anatomisches und biomechanisches Wissen besitzen um zu wissen, welche Muskeln, Knochen und Nerven bei welcher Übung beansprucht werden, damit mein Pferd gesund bleibt (beschlagene Pferde haben Stellungsprobleme, Schmerzen, nonstop angespannte Muskeln und dann soll man mit ihnen arbeiten?). Darüber hinaus muss ein Trainer das Wissen über Pferdepsyche, Verhalten, Kommunikation und der optimalen Haltung besitzen, damit er/sie mich lehren kann, frei mit meinem Pferd zu kommunizieren und mein Pferd wirklich kennen zu lernen, damit ich wissen kann, was ich tue. Pferde können 60 und mehr Jahre alt werden und das würden sie auch, wenn wir durch unseren Gebrauch ihnen das Leben nicht kürzen würden. Altersschwäche mit 25 (in den Lebensbedingungen, die Sie beschreiben) oder gar kaputte Körper mit 8 (in der Regel bei den Sportpferden) sind Alarmzeichen und genau darum dreht sich diese Diskussion. Um das Umdenken.

      Ich finde, als radikal erscheint einem nur das, was sehr weit von einem entfernt ist. Wenn mann sich die anatomischen Fakten ansieht und diesen durch das Reiten verursachten Schaden an dem Tier wirklich sieht und versteht, dann erscheint einem das Reiten radikal. Somit ist alles eine Konsequenz unseres Wissens und unserer Erfahrung. Letztendlich sagen Sie:

      Zwar ist jedes Pferd anders, aber mir scheint, dass die meisten Pferde gern mit Menschen arbeiten – auch unter dem Sattel, solange man Schmerz auf das kleinstmögliche Minimum reduziert.

      und damit repräsentieren Sie eine gewisse Einstellung den Pferden gegenüber, die ich mit diesem Artikel hinterfrage und in meinem Buch vertiefe (der Schmerz in uns Reitern, der uns auf den Pferderücken „zwingt“). Geben Sie sich wirklich mit dieser Einstellung zufrieden – „solange man Schmerz auf das kleinstmögliche reduzieren“? Ich habe in den Antworten auf manche Kommentare ein freies kurzes Reiten als eine Alternative vorgeschlagen, wenn man immer noch von diesem Gefühl abhängig ist (welches ich wirklich sehr gut vestehen kann, das ist etwas, was uns alle Reiter verbindet) damit man so wenig Schaden wir möglich zufügt. Ich hoffe, dass ich damit keine radikale Einstellung an den Tag lege, es dreht sich für mich immer darum dem Menschen zu helfen auch sich selbst zu erkennen. Wir können nicht auf Erleuchtung hoffen, wenn wir anderen Wesen Schmerzen zufügen.
      Es gibt etwas wunderbares über die Pferde und sich selbst zu entdecken, wenn man sich von diesem innerlichen Schmerz befreit. Ich war eine Reiterin, die dieses herrliche Gefühl auf dem Pferderücken gesucht und erlebt hat, von dem Sie sprechen (und immer wider und immer wieder und immer wieder gesucht hat)… Da möchte ich nie wieder zurück. Und so viele andere Menschen, die eben darüber hinaus gegangen sind. Glauben Sie wirklich, dass wir nicht weiterhin auf dem Pferderücken buchstäblich „reiten“ würden, wenn wir nicht etwas Großartigeres erlebt hätten?
      Für das bessere Verständnis hilft vielleicht dieser Link:
      http://www.pferdehilfe-sonnenhof.de/academia.html

      Beste Grüße

      • C. Müller-Probst sagt:

        Danke für die Antwort, aber ich denke nicht, dass ich mich mit Ihren Ansätzen identifizieren kann.

      • Heike sagt:

        „damit repräsentieren Sie eine gewisse Einstellung den Pferden gegenüber, die ich mit diesem Artikel hinterfrage und in meinem Buch vertiefe (der Schmerz in uns Reitern, der uns auf den Pferderücken “zwingt”). “

        Das ist eine Unterstellung an alle Reiter, die ich als unverschämt emfinde.
        Wahrscheinlich ist aber nur eine Fehleinschätzung oder eine Projektion eigenen Erlebens auf andere. Das Gefühl des Einswerdens mit dem Pferd ist eine Flow-Erfahrung, die man auch bei anderen Tätigkeiten haben kann. Und warum nicht mit den Pferden, wenn man es verantwortlich tut?
        Ich vermute übrigens, dass ein Pferd ein solche Momente des Einswerdens mit seinem Menschen im gemeinsamen Tun auch als Flow erlebt.

  2. Lisei Hanne Müller-Sturmhöfel sagt:

    Liebes Feine Hilfen Team, liebe Frau Vogt,

    ich glaube dieser Artikel drückt aus, wie wichtig und richtig das Anliegen ihrer Zeitschrift ist.
    Vielleicht ist es heutzutage wirklich als schonender anzusehen, das Pferd „nur“ in der Herde zu halten als das Pferd reiten zu wollen, gerade in diesem Dschungel der heutigen Ausbildungsmethoden. Doch es drückt doch auch aus, dass der ursprüngliche Sinn und das Wissen eines Weges verloren gegangen ist, der ein Reiten möglich macht ohne den Verschleiß des Pferdes in Kauf nehmen zu müssen.
    Ich finde es durchaus positiv, dass Sie als Zeitschrift zusammen mit Frau Vogt hier zur Diskussion und zum Nachdenken anregen.

    Frau Vogt erwähnt in ihrem Artikel, dass „man dem Pferd dieses Fremdobjekt ins Maul schiebt und von ihm komische Figuren zur Belustigung der Menschen abverlangt“. Keine Frage sind die Bilder sowohl von Turnierreitern als auch von Freizeitreitern, die man heutzutage sehen kann sehr erschreckend und da passt dieser Satz sehr treffend. Und ich kann Frau Vogt nur zustimmen, dass DIESES Reiten nicht „zeitgemäß“ ist, im Sinne von passend. Es schädigt das Pferd.

    Aber ist es die einzige richtige Entscheidung zu sagen, ich lasse mein Pferd nur noch in der Herde, weil ich keinen Sinn sehe in dem Reiten wie es heutzutage größtenteils praktiziert wird? Bleibe ich also am Boden neben meinem Pferd weil DAS Reiten nicht mehr zeitgemäß ist? Weil das Reiten an sich das Pferd schädigt?
    Die modernen Auswüchse des Reitens sind ja entstanden, da die „alten Meister“ und die alten Ausbildungsmethoden nicht mehr als zeitgemäß galten. Es weiß kaum ein Reiter mehr warum am Anfang longiert wird und worauf er dabei zu achten hat. Warum es Lektionen wie Seitengänge gibt und warum diese überhaupt nichts mit seitwärts zu tun haben. Warum es Aussprüche – bis heute – in der Reitersprache gibt wie von Steinbrecht “ richte dein Pferd gerade und reite es vorwärts“ und welche wirkliche Aussage darin steckt. Hinzu kommt die Unwissenheit der Reiter über Hilfsmittel wie Gebisse aber auch Sättel. Hier denkt der „moderne“ Reiter, er kann sich besseres und leichteres Reiten erkaufen. Einige Reiter denken, wenn sie dem Pferd kein Gebiss in das Maul legen, reiten sie automatisch schonender für das Pferd. Aber ist es so? Wie komme ich zu dem so sehnlichst gewünschten leichten und feinen Reiten und Umgang mit dem Pferd, und dieses soll nicht nur für den Reiter sondern auch und gerade für das Pferd so sein.

    Der Unterschied zwischen dem Dialog mit dem Pferd am Boden und beim Reiten liegt darin, dass ich mich auf den Rücken des Pferdes setzte. Um dieses machen zu dürfen, braucht das Pferd eine gewisse körperliche Balance und Formgebung seines Körpers, um dem Menschen auf seinem Rücken tragen zu können ohne Schäden. Und hier ist nicht nur die Frage welche Formgebung gesund für das Pferd ist sondern auch die Frage wie ich diese Balance und Formgebung herstellen kann. Kann ich diese Elemente nur mit Druck, Kraft, Gewalt und gar nur mit Hilfsmitteln wie Gebisse oder auch Ausbinder – oder was einem der moderne Reitsportbedarf noch so alles verkaufen mag – äußerlich herstellen? Wenn ja, dann bleibe ich wirklich besser am Boden. Dann sollte ich mich vielleicht informieren über die Biomechanik des Pferdes und parallel dazu mich mit meinem Körper, meiner Balance, meinen Verspannungen beschäftigen. Und da kann mir das Pferd als Spiegel am Boden helfen, denn es zeigt mir wo ich bei mir nochmal hinschauen muss, woran ich an mir zu arbeiten habe. Denn ansonsten ist auch am Boden keine feine Verständigung möglich.

    Aber kann ich etwa als Mensch dem Pferd auch eine sinnvolle Formgebung und Balance geben ohne einen Weg mit Druck oder Kraft gehen zu müssen? Ich glaube wenn ich dieses kann, dann darf ich mich auch auf den Rücken des Pferdes begeben. Dann kann ich aus der Vorbereitung am Boden mein Pferd in Balance auch reiten, aus dem Sitz heraus und in einer sinnvollen Formgebung des Pferdes ohne es zu schädigen. Dann ist Reiten nicht das Pferd Bewegen zu müssen oder Sport oder sinnloses Draufsitzen oder gar Lektionen reiten. Es ist Kommunikation. So wie die am Boden erarbeitete Kommunikation mit dem Pferd über meinen Körper, so kann ich dann beim Reiten über meinen Sitz kommunizieren. Ich als Reiter muss ein Körperbewusstsein und Körpergefühl entwickelt haben durch die Arbeit am Boden und das nicht erst auf dem Pferd erlernen wollen. Daraus kann ich ein Sitz entwickeln, welcher jeder Bewegung des Pferdekörpers folgt, ohne auch hier Druck auf das Pferd bzw. auf den Pferderücken auszuüben. Der Sitz ist also meine primäre Hilfe, der die Bewegung des Pferdes nicht stören darf und mit dem ich aber über meine Balance mit der Balance des Pferdes kommuniziere. Und dann ist es nicht entscheidend ob ich mit Gebiss oder ohne reite, diese sekundären Hilfsmittel dienen dann nicht dem Zwang sondern sind dann Hilfsmittel meiner Kommunikation. Und dann kann ich diese sinnvoll einsetzten.

    Und als Elemente zur Gymnastizierung helfen mir gewisse Formgebungen und Lektionen für das Pferd, die ich sowohl am Boden zur Vorbereitung der Balance des Pferdes für das Reiten als auch später beim Reiten zur Verfeinerung der Balance zwischen mir und meinem Pferd anwenden sollte. Diese Lektionen haben einen Namen wie Schulterherein oder Kruppeherein usw. und haben einen Sinn. Sie dienen – richtig angewandt – der Gesunderhaltung des Reitpferdes. Und dieser Sinn liegt schon in dem alten, verstaubten Wissen der „alten Meister“.

    Herzlichen Gruß aus Wien
    Lisei Müller-Sturmhöfel

    • Maksida Vogt sagt:

      Liebe Frau Müller-Sturmhöfel,

      vielen Dank für Ihren Beitrag und Ihre Offenheit sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Ich kann Ihren Gedankengang nachvollziehen. Im Vergleich zu dem Reiten oder gar „Pferdesport“, das wir heutzutage leider sehen können, erscheinen die Alten Meister gar als Tierschützer, in dem sie dem Pferd Zeit zum Wachstum (in der Regel 5 Jahre) gegeben haben, in dem sie sie Versammlung trainiert haben bevor sie sich auf das Pferd gesetzt haben, usw. Das Pferd damals wurde gebraucht und diese alle Figuren, die Sie ansprechen dienten der längeren Gebrauchsdauer von einem Pferd. Das war so ziemlich alles, was für diese Männer damals interessant war. Das Pferd musste möglichst lange sein Zweck erfüllen.
      Von dem heutigen Entwicklungsstand und den Informationen über die Schäden am Pferdekörper, die durch das Reiten passieren (unabhängig welches Reiten das ist, es bezieht sich allein auf das unnatürliche Gewicht auf dem Pferdekörper auf einer bestimmten Stelle und für eine gewisse Zeit) dürfen wir den Fehler nicht machen und die Alten Meister als Maßstab nehmen. Ihr Wissen von damals ist sehr veraltet und kann mit den neuesten Erkenntnissen nicht standhalten. Wenn man die Anatomie und die Biomechanik des Pferdes studiert, dann kommt man nicht drum herum das Reiten an sich zu hinterfragen, insbesondere wenn solche Kontroll – und Schmerzmittel (Gebisse, Zügel, Longe) nur dem einen Zweck dienen – das Pferd in eine bestimmte Position zu ZWINGEN. Ich arbeite mit freien Pferden und kann diese Figuren dem freien Pferd lehren. Dadurch sehe ich den deutlichen Unterschied in der Bewegung des Pferdes und die Auswirkungen auf sein Körper, wenn man diese Bewegungen erzwingt (das Pferd bewegt sich automatisch anders wenn ein Kontrollmittel an seinem Körper). Es spielt weniger eine Rolle, wer diese Manipulation an dem Pferdekörper vornimmt, es bleibt immer eine unnatürliche Bewegung für das Pferd, wenn es seine Bewegung nicht selbst kontrollieren und bestimmen kann.
      Über die Figuren an sich und dem Wissensstand auf dem sie erfunden worden sind, schreibe ich gerade in meinem neuen Buch, hier ein Artikel darüber:

      http://www.academialiberti.de/de/articles/read/10/Abhandlung-ber-die-natrliche-Schiefe-bei-Pferden-Verirrungen-im-Verstndnis-ber-Entstehung-und-Behandlung-oder-Eine-unnatrliche-Geradebiegung-des-Pferdes/

      Das gleiche Problem haben wir mit Longieren. Die Pferde haben große Schwierigkeiten Zirkel zu laufen. Wenn wir Pferde in der freien Natur beobachten, werden wir nie sehen, dass sie freiwillig Zirkel laufen. Es belastet ihr Körper und Gelenke enorm und ist an sich eine unnatürliche Bewegung für das Pferd. Kommunikation mit dem Pferd würde ich den Zustand nennen, wenn das Pferd FREI ist und der Mensch mit dem Pferd KOMMUNIZIERT. Wenn man mir einen Schmerz – und Manipulationsmittel an mein Körper anbringen würde, dann würde ich das nicht mehr als Kommunikation sondern als Zwang betrachten.
      Es ist nicht so, dass wir mit unseren Pferden nichts tun. Wir haben das Training, aber es passiert alles frei. Wir respektieren den freien Willen des Pferdes, so wir wir möchten, dass unser freie Wille rspektiert wird. Eine Freundchaft mit dem Pferd schließt das kurze Veweilen auf dem Rücken de Pferdes nicht radikal aus, aber wir sprechen hier von den Momenten mit dem freien Pferd, wir zwingen und manipulieren es nicht damit WIR das erreichen, was WIR wollen. Es ist ein fundamentaler Unterschied in der Annährung und Umgang mit dem Pferd und eine Befreiung von dem Ego. Ich gebe Ihnen den Link zu einem Interview, in dem ich etwas ausführlicher diese Position erkläre, falls das für Sie interessant ist.
      http://www.pferdehilfe-sonnenhof.de/academia.html

      Ich denke, es ist wichtig diesen Dialog zu haben, damit wir einander verstehen und für das Wohl der Pferde agieren können. Beste Grüße.

      • Lisei Müller-Sturmhöfel sagt:

        Liebe Frau Vogt

        ich bin sehr interessiert an der Quelle bzw. an den Studien für die in Ihrer „Studie IV“ getätigten Aussage, dass die Ligamente des Rückens ihre aufrichtende Tätigkeit an den Dornfortsätzen der Brustwirbelsäule nicht mehr verrichten können, wenn das Reitergewicht auf dem Rücken des Pferdes ist!

        MfG

      • Maksida Vogt sagt:

        Liebe Frau Müller-Sturmhöfel,

        eine konkrete Studie dazu kann ich Ihnen nicht geben, wie Sie sich vorstellen können, die Pferdeindustrie ist nicht daran interessiert die Schäden am Pferdekörper zu dokumentieren und den Tierschutzorganisationen fehlt das Geld für solche Studien. Es ist aber sehr einfach zu diesem Schluß zu kommen, wenn man die Anatomiebücher über den Pferdekörper studiert, die veröffentlichten Studien über die dokumentierten Schäden analysiert und, wie ich in meinem Rehabilitationszentrum, selbst täglich damit zu tun hat. Sie können aber auch ganz einfach die Reiter beobachten, wenn sie sich auf das Pferd setzen und sie werden sehen wie sich die Wirbelsäule senkt. Wenn Sie die Studie ganz durchgelesen haben, dann wissen Sie, dass Zschokke die Messungen diesbezüglich gemacht hat und dass sich die Wirbelsäule unter dem Reiter (Durschnitts Reiter und Pferd) um etwa 4 cm senkt. Wenn Sie den Abstand zwischen den Dornfortsätzen sehen, dann wissen Sie auch ohne den Zschokke, dass sich diese unter dem Gewicht des Reiters berühren. Wenn die Ligamente das Gewicht des Reiters tragen könnten (welches ist ein Wunschdenken und falsche Lehre vieler Trainer und sogar mancher Tierärzte) dann dürfte das nicht passieren. Wenn das Pferd beim Reiten nicht versammelt ist, dann passiert der Schaden an der Wirbelsäule. Wenn das Pferd durch das Benutzen von dem Gebiss „versammelt“ ist (das ist eine noch schlimmere Verletzung), dann passiert noch mehr Schaden in seinem Körper und der Schaden an der Wirbelsäule kommt dazu. Wenn Sie also die Wahl haben (sich aussuchen) das Pferd in einer erzwungenen Versammlung durch die Gebisse zu reiten oder einfach am losen Zügel ohne Versammlung, dann sind Sie besser beraten, wenn Sie dem Pferd überlassen, wie es sich versammeln oder laufen soll und einfach die Zügel los lassen.

  3. Reiten ist zeitgemäss, aber die Methoden der Reitrei sind es oft nicht. Reiten erfordert viel Gefühl und einen langen Weg des Lernens. Niemand will sein Pferd quälen, aber viele haben wenig Können und es gibt wenig gute Lehrer .
    Wer sich auf das Lebewesen Pferd einlässt und ihm zuhört, für den eröffnet sich ein neuer Horizont und dessen Leben wird reicher.