Ist Reiten noch zeitgemäß?
… von Maksida Vogt | Meinung |
Diese Frage zu stellen, ist wie eine Tür zu öffnen – eine Tür zu einem anderen Bewusstsein. Ist es an der Zeit, diese Frage zu stellen? Sind wir kollektiv so weit, damit wir sie verstehen und uns weiterentwickeln können?
Vor etwa fünf Jahren waren wir vielleicht noch nicht so weit. Aber heute, im Angesicht so vieler Menschen, die täglich mit ihren Pferden etwas völlig anderes leben als das, was in einem durchschnittlichen Reiterstall passiert, ist diese Frage eine Konsequenz der Weiterentwicklung der Menschheit. Und trotzdem wird sie vielen als unrealistisch erscheinen, ja fast unglaublich. Wir begegnen Fragen, was wir mit den Pferden dann tun sollen oder ob die Pferde eventuell aussterben werden, wenn der Mensch sie nicht für eigene Zwecke benutzt. Nun, fast alle Reiter werden sagen, dass sie ihre Pferde lieben, nicht wahr? Hört diese Liebe etwa beim Reiten auf? Lieben wir unsere Pferde nur, weil wir sie „gebrauchen“? Und können wir dann überhaupt von Liebe sprechen? Vielleicht sind wir in unserer Gesellschaft einfach so abgestumpft, dass wir glauben, immer etwas im Gegenzug bekommen zu müssen? Dass wir nicht ein Lebewesen von Materie unterscheiden können? In der Tat gibt es sehr viele solche Menschen, die etwas anderes mit Pferden entdeckt haben, als sie zum Reiten oder für sonstige Zwecke zu benutzen: Liebe und Freundschaft.
Wenn man in einem Gefängnis der traditionellen Wahrnehmung gefangen ist, dann ist es schwer, sich eine Pferdehaltung anders als in Boxen oder auf Minikoppeln vorzustellen. Pferde sind in dieser Wahrnehmung Reittiere. Dazu gehört auch die schmerzhafte Unterwerfung der Pferde durch das Benutzen der Gebisse, um mit ihrem Schweiß und Blut den eigenen Unterhalt zu erwirtschaften. Oder aber „nur“ fürs Freizeitreiten, um ein bisschen Entspannung zu erfahren. Wenn ich in diesem traditionellen Denken gefangen bin, dann erscheint es für mich normal, wie die Menschen um mich herum handeln. Wie soll man denn auch etwas anderes denken? Zu stark sind die Ketten in der Reiterszene, es gibt Vorgaben, die man einzuhalten hat, oder man wird schnell als Außenseiter abgestempelt, der sein Pferd nicht unter Kontrolle hat. Und das Pferd muss schließlich dem Menschen gehorchen und auf die kleinste Aufforderung hin alles machen, was der Reiter möchte, nicht wahr? Es ist viel bequemer, im Reiterstübchen zu sitzen und zu plaudern, als komisch angeschaut zu werden, weil man gegen den Strom schwimmt.
Wird ein Reitschüler seinen Reitlehrer hinterfragen? Ihn fragen, woher die Information stammt, dass die Pferde auf dem Gebiss kauen sollen? Sein Wissen über die Anatomie der Pferde hinterfragen? Was macht so ein Gebiss im Pferdemaul, warum fließt der Speichel so, wenn man dem Pferd dieses Fremdobjekt ins Maul schiebt und von ihm komische Figuren zur Belustigung der Menschen abverlangt? Und wird diese/r Reitlehrer/in in der Lage sein, dieses zu erklären? Man wird üblicherweise Folgendes zu hören bekommen: „Wenn das Pferd auf dem Gebiss kaut, dann ist das ein Zeichen der Entspannung. Das ist erwünscht.“
Wenn man einmal die Gelegenheit bekommen hat, fundiertes Wissen darüber zu erfahren, dann erscheinen einem solche Erklärungen als der Gipfel der Ignoranz und man fragt sich, wie man nur so blind sein und diesen Unsinn glauben konnte. Wie konnte man seine Augen für die Leiden des Tieres verschlossen halten, das man so sehr liebt und mit dem man meist täglich zu tun hat? Und wenn man dann so weit ist, sich dessen bewusst zu werden – dann gibt es keinen Weg mehr zurück, denn dann erkennt man immer mehr. Sogar Kinder wissen, dass sie nicht gleichzeitig laufen und essen können. Auch beim Pferd löst das Gebiss im Maul automatisch Speichelbildung und Kaureflex aus, ist also mit der Nahrungsaufnahme verbunden und nicht mit körperlicher Anstrengung. Das Pferd erfährt enormen Stress, denn durch die vermehrte Speichelproduktion läuft es Gefahr, den Speichel einzuatmen. Es muss kämpfen, um atmen zu können! Der Speichel fließt und die Reiter glauben, dass es so sein soll. Wenn unsere Katze anfangen würde, so zu schäumen, würden wir sofort den Tierarzt konsultieren, nicht wahr? Warum sollte das beim Pferd anders sein?
Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass Pferde gesundheitliche Probleme beim Tragen der Gebisse haben und schwere Verletzungen erleiden, auch wenn der Reiter eine sogenannte „leichte Hand“ hat. Man braucht sich nur zu informieren, die Beweise sind erdrückend! Aber das größte Problem an den Gebissen ist, dass diese Tradition Jahrtausende zurückreicht, seitdem der sogenannte Vater der Reitkunst, Xenophon, den Pferden eine Stachelrolle ins Maul legte, um ihren Willen zu brechen und Gehorsam zu erzwingen. Ein Gebiss ist der Ausdruck der Angst des Reiters vor dem Freiheitswillen des Pferdes.
Was also, wenn wir diejenigen sind, die konditioniert sind, etwas Falsches zu tun? Es ist ähnlich wie mit der Einstellung bezüglich Gewalt gegenüber Frauen – einmal akzeptierte und unterstützte Praktik wird als normal betrachtet, und man erfindet Gründe, um sie zu rechtfertigen: „Ohne Gebiss macht das Pferd, was es will. Du hast es nicht unter Kontrolle.“ „Eine Tracht Prügel hat noch keiner Frau geschadet.“ Ein solcher (Irr-)Glauben erzeugt auch Akzeptanz im Opfer. Man benutzt das Gebiss, und schon hat man einen Sklaven, der mit Schmerz zu kontrollieren ist. Das Problem beim Verwenden der Gebisse ist nicht der Schmerz, es ist das Leugnen desselben.
Und genauso verhält es sich mit dem Reiten auch. Wie viele Menschen gibt es, die kein einziges Mal das Benutzen der Gebisse hinterfragt haben? Das Hinterfragen des Reitens steht noch eine Stufe höher. Man muss sich selbst weiterentwickeln, sich selbst infrage stellen und hinterfragen, um all das zu verstehen. Denn verstehen können wir etwas nur, wenn wir es erfahren. Und erfahren können wir es nur, wenn wir Neues ausprobieren. Wenn wir etwas wagen.
Es gibt kein Tier, das über die Jahre so missbraucht wird wie ein Pferd. Und es passiert alles vor unseren Augen, wir schauen zu, wir sind vielleicht sogar ein Teil davon. „Sportpferd“ ist eine Diagnose. Je nachdem, in welchem „Sport“ es eingesetzt wird, kann man ziemlich genau sagen, woran es leidet. Aber wie durchbricht man diese traditionell gepflegte Ignoranz in der Pferdeszene, wie geht man gegen eine solche gigantische Industrie vor? Viele Menschen interessiert es gar nicht, wie es den Pferden geht, sie wollen mit ihnen Geld verdienen. Der Fall Totilas passiert vor unseren Augen. Organisationen, die massenhafte Tierquälerei organisieren, sind legitim erlaubt. Menschen besuchen diese Events, sie amüsieren sich und klatschen. Sie führen ihre neuesten Hüte vor, trinken Champagner und halten Small Talk. Und die Pferde bluten. Und die Pferde sterben an den Rennbahnen. Und die Pferde sind in den Boxen eingesperrt. Nie eine Herde. Nie eine Familie. Rationiert mit Futter. Beschlagen. All ihrer natürlichen Bedürfnisse beraubt.
Das ist unser Spiegel. Wir sind krank. Wir sind so weit vom Leben entfernt, dass wir das ausüben und zulassen können. Wir haben keine Verbindung mehr mit dem Leben. Wir ehren das Leben nicht. Wir missbrauchen sogar solche sanftmütigen Wesen wie die Pferde. Solche noblen, großzügigen Tiere, von denen wir so viel lernen können, brechen wir. Wir wollen ihnen unseren Willen aufzwingen. Wir scheuen nicht davor zurück, jegliche Mittel zu nehmen, um unsere Ziele zu erreichen. Wir haben als Vorbilder die Menschen, die voll sind mit ihrem inneren Schmerz, die uns die Tortur an den Pferden vorleben und uns aufmuntern, das Gleiche zu tun. Die üblichen Bilder aus den Reithallen tanzen vor meinen Augen. Menschen auf den Pferderücken üben ausgedachte Figuren. Versuchen etwas nachzumachen, die Pferde in bestimmte Positionen zu bringen; die Reitlehrer schreien, die Pferde kämpfen. Gebogene Genicke, angespannte Körper, unerträgliche Schmerzen, angsterfüllte Augen, Verzweiflung … und die Menschen sind blind. Sie fühlen nicht. Sie folgen.
Ist dieses Reiten, das wir überall um uns sehen können, noch zeitgemäß? Passt das zu dem Aufwachen der Menschheit? Es ist zu brutal, zu schmerzerfüllt, zu unterdrückend und ignorant, damit es überleben kann. Die Menschheit ist spirituell unterernährt, sie will mehr wissen, mehr fühlen und mehr leben. Es ist nicht möglich, einem anderen Wesen Schmerz zuzufügen und trotzdem auf Erleuchtung zu hoffen.
Wir suchen die Wege der Heilung, denn wir spüren, dass wir herauswachsen aus den bestehenden verkrusteten Strukturen. Dieses führt uns zu einem anderen Denken und Handeln. Das, was gestern noch normal war, erscheint heute grotesk. Es ist nur ein kleiner Schritt und wir sehen die Welt vollkommen anders. Die Pferde können unsere Begleiter auf diesem Weg sein und uns die Richtung weisen – wenn wir den Mut finden, ihren freien Willen zu respektieren und uns selbst zu befreien. Wir wollen frei sein, die Pferde wollen es auch.
Nein, Reiten ist nicht mehr zeitgemäß, es ist ein Relikt aus der Vergangenheit. Sich dem zu stellen ist ein Teil unserer Heilung. Wie wunderbar, dass wir uns die Frage stellen können.
Maksida Vogt ist Autorin des Buches „Befreie dein Pferd – befreie dich selbst“, das im Frühjahr 2013 bei Cadmos erscheint.
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Danke für Ihr Verständnis.
Category: Besondere Themen
Liebes Team, liebe Frau Vogt!
Ich habe euren Artikel zwiegespalten gelesen. Ich denke, ich bin in einer völlig „anderen Welt“ des Reitens und garnicht mitten drin in dem Geschehen, was tatsächlich als grausam zu beschreiben ist!, in dem Pferde tagtäglich jahrelang bewusst/unbewusst gequält werden.
Ich bin mehrere Reitschulen durchgangen und es ist tatsächlich heutzutage schwer, eine wirklich gute, pferdegerechte Reitschule zu finden, wenn nicht unmöglich. Mittlerweile bin ich durch Umwege seit 2 Jahren zu meinem eigenen Pferd gekommen und beschäftige mich seitdem „bewusst“ mit dem Thema Umgang zwischen Pferd und Mensch. Kann man es Freundschaft nennen? Oder ist das schon „vermenschlicht“? Mein Pony und ich sind vielleicht eine recht ungünstige Kombi. Junger Reiter, junges Pferd. ( 14 / 6 ). Ich arbeite für ihn und gebe meine Wochenenden und Nachmittage her, damit ich finanziell zusteuern kann. Mein Pony ist mein bester Freund, hört sich doof an, ist aber oft so. Ich reite seit einem halben Jahr sogut wie nur noch 1,2x die Woche und den Rest gehe ich spazieren und arbeite vom Boden aus, weil ich schon lange auf einen passenden Sattel spare. Ich würde unser Verhältnis als freundschaftlich bezeichnen. Er weiß dass ich in „Angstsituationen“ ihm Sicherheit gebe, im Gegenzug vertraue ich ihm ( manchmal wohl etwas zu viel, wie manche sagen ). Ich freue mich darauf, bald wieder mit ihm arbeiten zu dürfen, aber meine Ansicht ist wohl etwas anders. Mein Pony ist mein Partner und Freund. Und wenn er / ich einen schlechten Tag hat/haben, dann gehe ich eben nur ins Gelände oder lasse ihn auf der Weide. Genauso gut ist es aber oft, dass er regelrecht bemüht ist und fleißig beim reiten und ich merke, dass er an der Arbeit Spaß hat, solange er Abwechslung bekommt. Reiten sollte in Harmonie stattfinden, man sollte miteinander! arbeiten und nicht gegeneinander. Ich denke dass haben wir bisher ganz gut hinbekommen.
Manchmal bekomme ich natürlich schräge Blicke und Fragen wie „Reitest du eigentlich?“. Natürlich reite ich, aber es kann auch sein, dass ich eine, zwei Wochen einfach nur am Boden arbeite und alles „locker“ angehe. Warum? Wir haben Zeit. Mein Kleiner hat alle Zeit der Welt, und wenn es ein weiteres Jahr dauert bis er den Galopp auf der linken Hand gut kann. Ja und? Wir arbeiten daran, aber wir haben Zeit. Wir haben Zeit ins Gelände zu gehen, spazieren zu gehen, herum zu albern, vernünftig zu trainieren und danach wieder herum zu trödeln. Es kommt auf eine gesunde Gymnastizierung an, denn ich möchte, dass er gesund bleibt. Aber was spricht dagegen, auch ihm die Zeit zu geben die er braucht und vor allem den Spaß an der Arbeit zu behalten?
Zum Gebiss : Ich reite mit Gebiss. Aber ich könnte jederzeit am Halfter und Strick ins Gelände gehen, mit Knotenhalfter oder gebisslos. Tuen wir auch, aber ich denke es kommt immer darauf an, wie man mit den Dingen umgeht. Gamaschen, Bandagen, Sättel können alles gravierende Probleme bereiten, Schmerzen, genauso gut kann es auch ein Gebiss verursachen. Ich kann ein Pferd allein mit der Pflege verletzen, wie man mit einzelnen Bürsten umgeht, oder so, dass sie es genießen.
Ein Pferd ist und bleibt ein Tier. Es sollte seinen freien Willen behalten, genauso gut kann man aber auch eine freundschaftliche Beziehung zu diesem Tier aufbauen. Mein Pony gibt mir einfach unglaublich viel, er wäre nicht mehr wegzudenken. Tiere sollte man mit Gefühl behandeln. Sie haben Gefühle und können Schmerzen empfinden, aber sie sind keine Menschen. Und genau deshalb sollten wir! umdenken, denn wir können sie vor dem Leid dass sie größtenteils durch uns erfahren, beschützen.
Liebe Anna Helen,
vielen Dank für Deinen Beitrag. Deine Geschichte kommt mir sehr bekannt vor, es ist die Geschichte von vielen Mitglieder der Academia Liberti (allesamt frühere Reiter und Turnierreiter) und auch anderen Organisationen (die einen anderen Umgang mit dem Pferde gesucht/gelebt aber sich in einer bestimmten Umgebung befunden haben). Wenn man sich in einer bestimmten Umgebung befindet, dann prägt diese Umgebung auch unser Denken und unsere Sicht auf das Leben und die Tiere. Das sind die Ketten, über die ich in diesem Artikel schreibe. Erst wenn man sich von diesen Ketten (im eigenem Denken) befreit hat, erst dann kann man etwas anderes spüren und erleben. Aus dem Grund heißt auch der Titel meines Buches – „Befreie dein Pferd, befreie dich selbst“. Dort ist es ausführlicher beschrieben, wie Pferde verletzt werden, was bringt uns dazu Pferde zu reiten und auch ein anderer Umgang mit dem Pferd, ein Umgang auf der Basis des freien Willens.
Das ist auch der Grund warum sich eine andere Szene in der Pferdewelt entwickelt hat, den wir sehen unsere Pferde sicherlich als unsere Freunde (nur Du selbst weißt, mit wem Du eine Freundschaft hast, nicht wahr?). Diese Freundschaft hat mehrere Stufen, je nach dem wo man sich selbst befindet, unter anderem können die Pferde auch unsere spirituelle Führer sein (wenn wir das erlauben). Das Spektrum ist sehr groß. Von daher hat das wenig mit der Vermenschlichung zu tun (oder den menschlichen Tieren), es hat vielmehr mit Empathie zu tun, mit der Entwicklung der eigenen Fähigkeiten, der Verbundenheit mit der Natur mit den Tieren und dem Leben an sich. Das alles sind aber Entwicklungen, die erst später kommen, nachdem man sich bewußt entscheidet, erstmal dem eigenen Pferd keinen Schaden mehr zuzufügen. Man öffnet sich damit eine andere Tür und eine wunderbare Reise beginnt.
Ich finde, es ist wichtig offen zu bleiben, sein Geist mit neuen Impulsen zu beflügeln und seinem Herzen zu folgen. Liebe Grüße.
Vielen Dank für die Antwort!
Genau das sind meine Gedanken. Manchmal erntet man schräge Blicke dafür, aber die schönsten Momente sind eben die, die die Anderen nicht mitbekommen/nicht sehen. Ein Pferdekopf auf der Schulter kann wahre Glücksmomente auslösen, oder das einfache hinlegen, wälzen, und danach kuscheln. Dass sind die Momente die es mir wert sind, weiter zu machen – wenn auch manchmal auf anderen Wegen.
Hallo,
habe ich richtig gelesen und interpretiert, du bist 14??? Dann möchte ich dir sagen, dass ich sehr großen Respekt vor deiner inneren Weisheit habe, in diesem Alter (oder besser dieser Jugend) bereits so tief zu empfinden und so ausdrucksstark zu schreiben. Und ich bin sicher, wenn es für dich und dein Pony so sein soll, wirst du auch die von der Autorin gewünschte Befreiung finden und leben.
Denn ich finde das alles zwar richtig – aber wir müssen einen weiteren Horizont integrieren. Alles was geschieht, ist Entwicklung. Alles was geschah, war Entwicklung. und auch wenn wir das umsetzen, was wir uns heute vornehmen, wird es weiterhin Entwicklung geben.
Liebe Frau Vogt – mich würde Ihre Meinung dazu interessieren:
Ich befasse mich mit Pferden, deren Wahl eigentlich nur noch aus Schlachter besteht, die mit unverständigen, tierlieben Besitzern so ihre Probleme haben und verfahrene Situationen vorhanden sind.. Und denen ich (und ihren Menschen auch) helfe, einen Kompromiss zu finden. Diese Pferde nehmen z.B. ausnahmslos das Gebiss nach kurzer Zeit von allein – sie suchen es, wenn ich es hinhalte selbst. Einer reißt mir sogar fast die Trense aus der Hand, wenn ich nicht schnell genug „auseinandergetüdelt“ habe.
Wie erklären Sie sich dieses Verhalten. Übrigens, wenn das mal doch verweigert wird, wird mit Halfter, am Boden oder frei „gearbeitet“.
Ich finde es auch am schönsten, wenn meine Stute meine Gesellschaft auf der Weide den anderen Pferden vorzieht und mich zum Spielen auffordert. Aber eine sofortige Umsetzung dieser „anderen“ Welt würde für unzählige Pferde den sofortigen Tod bedeuten.
Alles Liebe und Warme Grüße an Sie und Ihre Pferde
Verena Bahlke
Das zu verlangen finde ich auch nicht sehr glücklich.
Hallo liebe Frau Bahlke,
vielen Dank für Ihren Beitrag. Ich bin mit Ihnen auf der gleichen Linie, dass einfach alles Entwicklung ist und es ist nur die Frage, wo wir uns in dieser Entwicklung befinden. Unsere Entscheidungen von gestern bestimmen unsere Realität von heute und unsere Entscheidungen von heute bestimmen unsere Realität von morgen. Aus dem Grund sollten wir versuchen unsere Entscheidungen bewußt zu treffen, denn sie beeinflussen uns selbst, unsere Gedanken, unser Empfinden.
Warum manche Pferde „freudig“ zum Besitzer oder Trainer kommen, auch wenn dieser das Gebiss in der Hand hält, erkläre ich ausführlicher in meinem Buch. Hier kann ich kurz darauf eingehen. Pferde sind Wandertiere, sie brauchen PLATZ um sich bewegen zu können und sie brauchen ihre Familie und mentale Freiheit. Die Koppel die wir ihnen zur Verfügung stellen sind erbärmlich klein (und viele Pferde stehen in den Boxen und erfahren einen ständigen Stress des Getrenntseins). Pferde sind hoch intelligent, sie wissen das, sie wissen, dass es auf einer Koppel, die sie überblicken können, nichts zu entdecken gibt. Und sie wissen genau, dass sie gehorchen MÜSSEN. Das es eben Menschen gibt, die von ihnen etwas wollen. Sie sagen, sie helfen den Pferden einen Kompromiss zu finden. Das wissen diese Pferde. Und sie wissen, wenn sie das verweigern, dann MÜSSEN sie eben in Halter oder frei arbeiten. Was passiert wenn sie auch das verweigern würden? Was passiert wenn sie das dauernd verweigern würden? Würde ihr Wille respektiert werden? Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, ich möchte Ihnen hiermit einen Einblick in die Seele der Pferde geben, denn wenn die Pferde eine wirkliche Wahl haben (die wir ihnen genommen haben), dann würden Sie andere Reaktionen von den Pferden erleben. Aber dazu muss man den Pferden diese Wahl auch geben. Pferde verhalten sich in unserer traditionellen Haltung wie Opfer von Stockholm-Syndrom, wenn die Opfer ein positives emotionales Verhältnis zu den Tätern aufbauen. Wenn wir uns in die Pferde reinversetzen, dann ist das auch sehr logisch. Unser Überlebensinstinkt bringt uns dazu, so zu reagieren, ansonsten würden wir eingehen. Und den Pferden geht es genauso. Sicherlich gibt es Pferde die einfach aufgeben, es gibt auch viele die still vor sich leiden, oder diese die noch kämpfen. Leztendlich entscheiden wir, was mit den Pferden geschieht und wie wir unsere Energie einsetzen. Je mehr wir für das Wohle der Pferde einstehen, desto mehr stehen wir für unser eigenes Wohl ein. Wir befinden uns im Umbruch, es gibt eine traditionelle, grausame Pferdewelt und es gibt eine neue, heile, glückliche Pferdewelt. Ich entscheide mich für was ich stehen möchte und keiner kann mir diese Entscheidung abnehmen.
„Niemand in der Geschichte hat seine Freiheit dadurch erlangt, dass er an die Moral denjenigen appeliert hat, die ihn versklavt haben“.
Ich glaube den Pferden geht es genauso.
Viele Menschen befinden sich in der Kompromiss-phase und ich glaube diese ist einfach notwendig. Somit ist diese Arbeit, die Sie tun sicherlich wertvoll und ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Sie den Alltag vieler Pferde erleichtern. In dem Buch beschäftige ich mich auch mit diesem Aspekt: warum bin ich hier wo ich bin, möchte ich das weiterhin tun oder glaube ich an mehr? Wie bestimmt meine Wahrnehmung die Pferdewelt um mich herum? Ich glaube, jeder von uns hat eine Bestimmung und hat dieser Welt etwas Gutes zu geben. Beste Grüße.
Liebes Team von „Feine Hilfen“
Liebe Frau Vogt
Liebe Jana
Wo soll ich beginnen? Der Artikel und vor allem die Antwort von Jana haben mich sehr berührt. Plötzlich fühlte ich mich zurückversetzt in meine Kindheit als ich im noch Reitverein war. Wie ein Exot kam ich mir vor, weil ich die Brutalität und Respektlosigkeit gegenüber den Pferden nicht begreifen konnte. Wie vielen Kindern mag es ergehen wie Jana und mir? Wie viele von ihnen bekämpfen ihr Mitgefühl und stumpfen ab durch das Vorleben falscher Tatsachen? In dieser Hinsicht dürfte die Dunkelziffer hoch ausfallen.
Der Titel „Feine Hilfen“ in Kombination mit dem obigen Artikel lässt hoffen dass sich etwas im Umgang mit Pferden ändert. Früh habe ich begriffen, dass „Hilfen“ in der Pferdewelt vor allem dem Reiter helfen das Pferd mit Druck und Schmerz zu etwas zu überreden/zu zwingen. Über alle Reitweisen hinweg ist diese Welt voller Euphemismen; von „Spielkette“ bis „Zungenfreiheit“. Diese archaischen Utensilien gehören für mich in eine Zeit in der ein „funktionierendes“ Pferd lebensnotwendig war. Zusammen mit Stachelhalsband und Nasenring sind sie der Ausdruck einer durch Gewalt geprägten Beziehung zwischen Mensch und Tier.
Langsam emanzipieren wir uns von der Idee uns Tiere mit Hilfe solcher Mittel zu eigen zu machen und sie für unsere Unterhaltung zu nutzen. Stierkämpfe sind bereits geächtet – vielleicht werden in ferner Zukunft auch keine Menschen mehr in Arenen pilgern in denen Pferde wie Marionetten vorgeführt werden. Es ist schön sich vorzustellen wie andere und fairere Verbindungen an diese Stelle treten werden.
Auf das Erscheinen von „Feine Hilfen“ freue ich mich sehr. Die Pferdewelt ist im Wandel – wie aufregend daran teilhaben zu können! 1000 Dank für den Mut zu diesem Artikel.
Liebe Grüsse
Vanessa Koch
Liebe Vanessa,
solche Geschichten liegen mir sehr am Herzen und Sie haben Recht, die Dunkelziffer ist sehr hoch. Genauso wie Sie das beschreiben, habe ich diese Problematik erlebt: entweder die Kinder stumpfen ab und enden in dem Reitsport (sehr viele Verletzungen sind dann innerlich „begraben“) oder aber sie leiden furchtbar mit den Pferden. Wir haben die Möglichkeit in unseren Zentren, die Kinder spielerisch der Herde vorzustellen und erleben eine wunderbare Entfaltung der tiefsten Sehnsüchte bei diesen Kindern wie auch unglaublich sanfte und beschützende Zusammenwirken der Pferde. Es ist eine völlig andere Welt, die sich da einem offenbart. Und die wünsche ich für diese Kinder und für Erwachsene – die Pferde in ihrer Natur kennenlerenen zu dürfen.
Vielen Dank, dass Sie Ihre Geschichte mit uns teilen und für Ihre ermutigende Worte. Beste Grüße.
Hallo Liebes Team,
ersteinmal ein herzliches Dankeschön an Jana, das macht einem unglaublich große Hoffnung das sich etwas im Bewusstsein der Menschen in Richtung „Tierrechte“ verändert. Es hat mir ehrlich gesagt ziemliche Gänsehaut beschert als ich diesen Leserbrief las.
Großen Respekt auch an das Team, dieses Thema in dieser Art und Weise aufzugreifen, da es sich ja hier primär um ein Reitermagazin handelt.
-Diese Frage zu stellen, ist wie eine Tür zu öffnen – eine Tür zu einem anderen Bewusstsein. Ist es an der Zeit, diese Frage zu stellen? Sind wir kollektiv so weit, damit wir sie verstehen und uns weiterentwickeln können?-
JA, ich denke wir sind soweit, in den letzten 2 Jahren fanden extremste Veränderungen statt z.B. auch beim Nahrungsmittelangebot bei Discountern bis hin zu Neueröffnungen von veganen Supermärkten, die derzeit wie Pilze aus dem Boden schießen (siehe z.B. Veganz Berlin 2x, Frankfurt und in den nächsten Tagen auch in Wien).
Ich selber lebe seit vielen Jahren vegan, das natürlich auch aus Respekt vor dem Tier das „nicht reiten“ mit einbezieht.
Danke Toll Toll Toll
Liebe Grüße
Anita Krieger