Germany´s Finest Rider
Das heutige Turnierreiten ist vollkommen auf das Höher, Weiter, Schneller fokussiert. Wenn Menschen sich Höchstleistungen abverlangen – was immer auch mit Entbehrungen und oft sogar Leiden verbunden ist –, so ist das eine Sache. Der Partner Pferd kennt keinen solchen Ehrgeiz, deshalb ist es unfair, ihm Stress und Leiden zuzumute. Das Pferd wird heute vielfach leider nur noch als Sportgerät wahrgenommen.
Seit 2011 etabliert sich ein Westernreit-Contest, der als Gegenentwurf zu üblichen Westernreitturnieren konzipiert wurde: Germany’s Finest Rider®. Ausgedacht hat ihn sich Hardy Oelke, der zu den ersten Westernreitern in Europa gehört. Inzwischen findet der Contest zum sechsten Mal statt.
Warum dieser Contest?
„Früher wandten sich Leute dem Westernreiten zu, weil sie darin – ob zu recht oder zu unrecht – ein ungezwungeneres und vor allem pferdefreundlicheres Reiten sahen“ sagt Oelke. „Die Westernturniereszene hat sich in Amerika wie auch in Europa so entwickelt, dass es schon seit längerem negative Auswüchse gibt, so dass sich nicht wenige wieder davon abgewandt haben – oder zumindest vom Westernturnierreiten. Es gibt inzwischen eine ganze Generation junger Westernreiter, die gar nichts anderes kennengelernt haben als ein rüdes Abrichten von Pferden, das mit Reiten im eigentlichen Sinn nur noch wenig zu tun hat. Es tut einem echten Reiter geradezu weh, dies zu beobachten. Dem sollte entgegengewirkt werden.
Ich bin nicht der einzige, der an der Art und Weise Kritik geübt hat, wie Pferde für das Turnier ‚zurechtgezimmert‘ werden, wie sie auf dem Abreiteplatz als Vorbereitung für die Prüfung traktiert werden und wie in den Prüfungen oft das feine Reiten auf der Strecke bleibt und nur spektakuläre Action belohnt wird, egal was es kostet. Daran sind die Richter genauso schuld wie die Teilnehmer.
Auslöser für Germany’s Finest Rider war eine Diskussion, die ich mit einem jener Reiter hatte, die den Westernturnieren den Rücken gekehrt haben. Es gipfelte in dessen Aussage, dass feines Reiten sowieso in dem Moment auf der Strecke bleiben müsse, wenn es um Turnierkonkurrenz geht. Da habe ich überlegt: Muss das wirklich sein? Schließen sich Wettbewerb und gutes Reiten tatsächlich gegenseitig aus? Ich bin der Überzeugung, dass dies nicht sein muss, dass es letztlich an der Art der Bewertung liegt, wenn grobmotorische Pferdeabrichter erfolgreich sein können. Dann habe ich versucht, einen Reitwettbewerb zu konzipieren, der so weit wie möglich gutes Reiten fördert. Da das Kind einen griffigen Namen haben sollte, kam ich auf ‚Germany’s Finest Rider“ – das drückt zumindest die Zielrichtung aus. Die Zeitschrift WESTERN HORSE war gleich bereit, als Sponsor dabei zu sein.“
Da besonders auf den Abreiteplätzen vieles passiert, was abzulehnen ist, war Oelke eins klar: Das Abreiten muss mit beobachtet werden und mit in die Bewertung einfließen. So werden denn bei Germany’s Findest Rider® die Teilnehmer in Gruppen eingeteilt, eine Gruppe führt ihre Pferde herein und sitzt erst in der Bahn auf und reitet dann unter den Augen der Richter ab. Danach halten sich alle in einem abgeteilten Bereich bereit, der immer noch für die Richter einsehbar ist und von dem aus dann die einzelnen Reiter ihre Kür beginnen.
Es geht ihm aber nicht nur um Auswüchse auf dem Abreiteplatz oder generell im Training:
„Im Westernreiten findet man hauptsächlich Quereinsteiger, auch in Amerika. Darum fehlt den meisten ein klassischer Dressurhintergrund. Jeder macht, wie er will. Ich hatte überlegt, wer außer mir diesen Wettbewerb richten könnte, und fand, dass ich keinen Westernreiter kenne, dem ich das zugetraut hätte. Dann fiel mir Anja Beran ein und dass es ohnehin eine gute Maßnahme sein würde, auch einen Richter aus der Klassischen Dressur einzubeziehen. Anja genießt zwar einen guten Ruf als klassische Ausbilderin, aber das allein hat nicht den Ausschlag gegeben. Vielmehr hatte sie für mich vor vielen Jahren auf dem Tag des Iberischen Pferdes in München aufgrund ihrer feinen Hilfengebung herausgestochen, und seitdem waren wir in losem Kontakt geblieben. Es geht ja nicht darum, ob jemand Pferden Piaffe und Passage beibringen kann, sondern WIE das dann aussieht und gemacht wird. Anja ist Idealistin, wenn es um feines Reiten und respektvollen Umgang mit Pferden geht, und sie sagte sofort zu.“
Anja Beran kommt aus dem bayerischen Rudratsried, wo sie auch die Anja-Beran-Stiftung zur Förderung der Klassischen Dressur leitet.
„Bei Germany’s Finest Rider hat jeder die Möglichkeit, zu zeigen, dass es auch anders geht“, sagt Oelke. „Um möglichst vielen eine Chance zu geben und nicht nur einigen wenigen Spezialisten, wird diese Show als Kür geritten, und die Teilnehmer sind frei in ihrer Auswahl der Manöver, die sie in ihre Kür einbauen.“
Allerdings gibt es eine Palette von 14 Manövern oder Lektionen, von denen wenigstens sieben eingebaut werden müssen. Es ist aber keineswegs ein Erfolgsrezept für Germany’s Finest Rider, möglichst schwierige Lektionen zu zeigen. Es wird nicht das Pferd gesucht, das am schnellsten rennen oder drehen kann oder am härtesten und weitesten stoppt oder fliegende Wechsel in Serie macht. Die Richter suchen das Pferd-Reiter-Paar, das die ansprechendste, anmutigste und kompetenteste Darbietung zeigt, bei möglichst unsichtbarer Hilfengebung und ohne erkennbaren Widerwillen, Stress oder gar Widersetzlichkeit des Pferdes. Der Schwerpunkt liegt also auf Harmonie, unsichtbarer Hilfengebung und freudigem Mitmachen des Pferdes. Bewertet wird in erster Linie, inwieweit die Kür vollendet präsentiert wird. Der Schwierigkeitsgrad einer Vorstellung kann natürlich nicht unberücksichtigt bleiben, aber wer seinem Pferd schwierigere Lektionen zumutet und diese nicht elegant hinbekommt bzw. beim Pferd Nervosität, Widerstreben oder Unmutserscheinungen hervorruft, der wird schlechter bewertet als jemand, dessen Ritt einen geringeren Schwierigkeitsgrad aufweist, dessen Darbietung aber harmonisch ist, der also die Leistungsfähigkeit bzw. den Ausbildungsstand seines Pferdes richtig eingeschätzt hat, ihm also nicht mehr abverlangt, als es mit unsichtbaren Hilfen komfortabel und freudig ausführen kann.
Es wird nicht nur bewertet, wie das Pferd seine Lektionen ausführt, sondern ähnlich einer Horsemanship auch der Reiter, sein Sitz und seine Einwirkungen.
Hier die 14 Manöver oder Übungsteile, von denen wenigstens sieben nach freier Auswahl gezeigt werden müssen:
1. Tor
2. Two Tracking (Schritt-Travers) in beide Richtungen
3. Two Tracking auf der Diagonalen (Schritt-Traversalen) in bei-
de Richtungen
4. Two Tracking im Trab (Trab-Travers) in beide Richtungen
5. Two Tracking im Trab auf der Diagonalen (Trab-Traversalen)
in beide Richtungen
6. Angaloppieren aus dem Stand
7. Deutliche Tempounterschiede im Trab
8. Parade aus dem Galopp in den Trab
9. Spins in beide Richtungen
10. Rollbacks in beide Richtungen
11. Back up
12. Große schnelle und/oder kleine langsame Galoppzirkel auf jeder Hand
13. Sliding Stop
14. Fliegende Galoppwechsel auf jeder Hand
15. Galopp-Traversalen in beide Richtungen
Außerdem muss ein Speed-Manöver dabei sein, z. B. ein schneller Galoppzirkel oder eine schnelle Galoppgerade
(Fett = Pflichtmanöver)
Darüber hinaus können auch andere Lektionen gezeigt werden, aber wenigsten sieben von den oben genannten müssen in der Kür enthalten sein. Das Abreiten findet unter den Augen der Richter statt.
Die Kür soll fünf Minuten nicht überschreiten.
Germany´s Finest Rider 2015
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