Die Parade
von Anja Beran
Paraden werden in den meisten Reitstunden mehr als einmal verlangt. Das komplexe Zusammenspiel der Hilfen erläutern aber nur weniger Ausbilder korrekt. Die Folge: Viele Reiter treiben von hinten und ziehen vorn am Zügel. Damit gerät das Pferd aus dem Gleichgewicht und der Sinn der Parade ist verfehlt.
Kaum ein anderer Begriff wird im Reitunterricht ebenso häufig verwendet wie missverstanden wie der der „Parade“. Wenn Sie mehrere Reiter fragen, was man darunter versteht, erhalten sie fast nie eine flüssige und klare Antwort. Die meisten verstricken sich in vagen Aussagen von „Handgelenkeindrehen“, „Gegenhalten und Treiben“ bis hin zum „Kreuzanspannen“. Einigkeit herrscht zumindest soweit, dass eine ganze Parade immer zum Halten führt, während halbe Paraden dazu dienen, Tempounterschiede zu reiten, von einer Gangart in die andere zu gelangen, aber auch um ein Pferd aufmerksam zu machen. Nachdem es diese große Unklarheit in der Beschreibung und eine noch höhere Unklarheit in der Ausführung gibt, vermeide ich den Begriff in meinem Unterricht gänzlich und versuche vielmehr, die Schüler auf dem Weg zu den Übergängen und während der Übergänge verbal zu begleiten und ihnen vor allem auch beim alles entscheidenden Timing zur Seite zu stehen. Zu oft habe ich gesehen, wie Reiter fest mit den Zügeln gegenhalten und gleichzeitig mit beiden Schenkel Druck ausüben und zwar mit halber oder ganzer Kraft, je nach angestrebter Parade.
Die aus meiner Sicht missverständliche Formulierung der „Richtlinien für Reiten und Fahren“ in denen eine halbe Parade als vermehrtes Einschließen des Pferdes zwischen Gewichts-, Schenkel- und Zügelhilfen beschrieben wird und eine ganze Parade als Treiben mit Gewichts- und Schenkelhilfen in die anstehende Hand, gibt dem Leser die Idee von Treiben und Gegenhalten. Denn da wird das Komprimieren eines Pferdes zwischen Hand und Bein beschrieben und nicht, wie man ein Pferd anhält, welches sich im Gleichgewicht befindet. Viele Reiter versuchen deshalb mit dem Körper zu schieben, mit den Schenkeln zu drücken und mit der Hand umso mehr Festzuhalten um dieses „Vorwärtstreiben“ aufzufangen.
Allein historisch bedingt kann daran etwas nicht stimmen, denn ursprünglich diente die Dressur dazu, das Pferd ins Gleichgewicht zu bringen, damit es sich selbst trägt und man infolge dessen zügelunabhängig reiten und so auch parieren kann. Warum? Das Pferd hatte seine Aufgabe im Kampf oder auch beim Viehhüten, treiben und sortieren und das Wichtigste für den Reiter war, dass er sein Pferd beherrschen konnte und dabei die Hände frei hatte. Die wurden nämlich benötigt für das Händeln von Waffen, Lassos, lange Stangen etcetera. Niemals hatte der Reiter im Eifer des Gefechts die Chance, mit beiden Händen aufzufangen, was er mit Schenkel und Körper in die Hand hineintreiben hätte sollen. Ganz abgesehen davon, dass das auch ein extrem anstrengender, energieverschwendender Aufwand für ihn gewesen wäre. Es scheint also an der Definition etwas nicht ganz zu stimmen. Liest man in diesem Zusammenhang den Artikel von Desmond O´Brien in „Feine Hilfen“ Ausgabe 1 (Seite 44 ff.) dann erhält man die Bestätigung, dass eine Parade im klassischen Sinne anders geritten wird. O´Brien beschreibt, was die angehenden Eleven in der Spanischen Hofreitschule beherrschen müssen, bevor sie Zügel in die Hand bekommen und ohne Longe reiten dürfen. Die Aufgabe lautet wie folgt: „Der angehende Eleve muss auf einem Pferd an der Longe eine Runde Schritt, Trab und Galopp reiten und dann wieder zum Trab und zum Schritt parieren und zwar ohne Stimmhilfe, ohne Bügel und ohne Zügel. Es ist nur ein Tritt vor und nach der Mittellinie erlaubt, dann muss die neue Gangart gezeigt werden. Kann der Eleve das nicht korrekt reiten, darf er noch keine Zügel aufnehmen.“
Es scheint also einen anderen als den Weg zu geben, der nicht in den Richtlinien beschrieben ist. Wenn ich mein Pferd fein an den Hilfen und im Gleichgewicht haben möchte, dann empfehle ich meinen Schülern, das Parieren so anzustreben, wie es in Wien praktiziert wird.
Ich beschreibe hier einmal beispielhaft die halbe Parade vom Galopp zum Trab: Gelingen kann das Unterfangen nur, wenn mein Pferd im Galopp im Gleichgewicht ist. Wenn es auf der Vorhand läuft, wird logischerweise auch der Übergang auf der Vorhand stattfinden. Ich versuche also mein Pferd vor dem Übergang mit dem Schenkel etwas mehr in der Hinterhand zu engagieren (daher kommt wahrscheinlich die Idee des Treibens), danach fange ich mit der Hand etwas ein, damit die Energie sich nicht in Geschwindigkeit entlädt, sondern in diesem Fall in einen mehr akzentuierten Absprung im Galopp mündet (daher das Auffangen mit der Hand). Schließlich versuche ich, im richtigen Moment auszuatmen und mit dem Becken die Bewegung des Galoppsprunges nicht mehr mitzumachen, indem ich es kurz blockiere (daher kommt wahrscheinlich die Idee des Kreuzanspannens). Das gelingt, indem man die Knie und Oberschenkel kurz schließt. Durch dieses „nicht mehr begleiten“ der Rückenbewegung des Pferdes, wird dieses sofort seinen Bewegungsfluss unterbrechen und in den Trab übergehen. Wichtig ist dann, dass ich sofort wieder losgelassen sitze und geschmeidig der Bewegung folge.
Die Aussagen der Richtlinien sind folglich ungünstig formuliert, denn die Hilfen erfolgen, meiner Meinung nach, nicht gleichzeitig und gegeneinander, wobei die am stärksten gegebene schließlich „gewinnt“, sprich durchkommt. DieHilfen sollten vielmehr zeitversetzt, in Harmonie und im richtigen Moment gegeben werden. Das ist für das Pferd verständlicher, es bleibt aufmerksamer, feiner und motivierter und für den Reiter ist diese Vorgehensweise ohne Kraftaufwand möglich. Das war in früheren Zeiten ein entscheidendes Kriterium! Man kann das Pferd schließlich soweit ausbilden, dass es lediglich am Sitz pariert und die Hand überflüssig wird. So scheinen auch die Lipizzaner in Wien zu reagieren, sonst wäre die beschriebene Elevenprüfung nicht möglich. Viele Reiter heutzutage fühlen sich überfordert und unwohl, wenn sie die Ausführungen zu den Paraden lesen und es ist ihnen nahezu unmöglich die Theorie pferdegerecht in die Praxis umzusetzen. Ich empfehle daher jedem Ausbilder seine Schüler nicht mit bloßen Kommandos wie „halbe Parade“ oder „ganze Parade“ zu unterrichten, sondern wirklich aufzuschlüsseln, was genau wann zu tun ist. So wird der Schüler an die korrekte klassische Parade herangeführt und der Ausbilder hilft ihm gleichzeitigzu erfühlen, wie leicht sich ein gelungener Übergang anfühlen kann. So kann der junge Reiter später selbständig gute Paraden reiten.
Abschließend muss zu diesem Thema unbedingt noch folgende Anmerkung gemacht werden: Keine Parade kann ohne einen guten Sitz geritten werden. Erst das Zusammenspiel der Hilfen aus einem gefühlvollen Sitz heraus wird den gewünschten Erfolg erbringen. Erlernen kann man die Paraden am Sitz nur auf gut ausgebildeten Schulpferden. Im ursprünglichen Sinn beherrschen sie die Hohe Schule und dienen schließlich dem jungen Reiter als Lehrmeister. Denn wenn das Pferd aufgrund mangelhafter Ausbildung nicht auf die Sitzhilfe reagiert, dann gewöhnt sich der Reiter an, am Zügel zu ziehen. Es beginnt ein Teufelskreis, aus dem Pferd und Reiter nur schwer wieder ausbrechen können. Das dies leider oft der Fall ist, liegt an einem Mangel an guten Ausbildern und Lehrpferden, den wir derzeit haben.
Dieser Artikel erschien in Feine Hilfen Ausgabe 5, Schwerpunktthema „Die Parade“.
Category: Dressur
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