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„Der Unterhals muss weg“

 

Wer ein Pferd beim Longieren ausbindet, möchte in der Regel, dass es über den Rücken geht und eine schöne Oberlinie entwickelt. Aber: Mit welcher Muskulatur arbeitet ein ausgebundenes Pferd tatsächlich?

Hannoveranerwallach Cashew, 5 Jahre alt, ist heute in die Rolle des Versuchskaninchens geschlüpft. Er soll 10 Minuten unausgebunden am Kappzaum traben und nach einer Pause  weitere 10 Minuten mit Ausbindern, die eine Kopfhaltung eine Handbreit vor der Senkrechten erlauben – so wie in vielen Ställen eben ausgebunden wird.

 

Ohne Ausbinder
Tanja Albrecht, Pferdeosteopathin nach Barbara Welter-Böller, hat eine Thermografie-Ausbildung und fertigt direkt nach der Arbeit Wärmebilder von Cashew an. Nach dem Trab am Kappzaum ist der Bereich über den Schultergelenksstreckern, aber, viel wichtiger, auch der in der Halsmitte „rot“ – hier liegt der Halsanteil des Musculus serratus ventralis, zusammen mit seinem Brustanteil auch als „Rumpfträger“ bezeichnet. Diesen Muskel zu trainieren ist für ein Reitpferd äußerst praktisch, weil er vereinfacht gesagt den Rumpf zwischen den den Schulterblättern aufhängt und das Reitergewicht abfedert.

 

Mit Ausbindern
Nach 10 Minuten mit Ausbindern waren deutlich mehr Muskeln aktiv – aber leider eher „die Falschen“. Zum Beispiel ein großer Anteil des Musculus brachiocephalicus, der in der Reitersprache als „Unterhals“ bezeichnet wird – und den so mancher eigentlich mit Ausbindern gern wegtrainieren möchte. Auch hinter der Schulter mittig am Brustkorb hat ein Muskel gearbeitet, den wir eigentlich nicht trainieren möchten: Der M. latissimus dorsi. Der breite Rückenmuskel inseriert am  Oberarmknochen und an der Rumpffaszie (Fascia thorakolumbalis). Er arbeitet, wenn das Pferd den Rumpf aktiv über das Vorderbein ziehen muss und sich nicht mit dem nach vorn verlagerten Hals helfen darf  und noch nicht genügend Schub aus dem Hinterbein entwickelt hat (siehe Artikel zur Nickbewegung, die für energiesparende Fortbewegung sorgt). Ist dieser Muskel stark ausgeprägt, kann er das Vorderbein in die Rückständigkeit ziehen und gleichzeitig über Zug an der thorakolumbalen Faszie für eine schlechter werdene Rückenlinie („Hohlkreuz“) und allen damit verbundenen Problemen sorgen. Die im Bild sichtbare Erwärmung der Beugesehnen ist  ebenfalls als negativ zu bewerten und kommt unter anderem von der unphysiologischen Stemmarbeit. In der künstlich erzeugten Aufrichtung fehlt außerdem die Spannung des Nacken-Rücken-Bands und der Rumpftrageapparat wird vermehrt belastet. Er fungiert nicht mehr als Stoßdämpfer, was zu vermehrter Belastung der Fesselgelenke führt.

 

Fazit
Natürlich ist dieses Experiment nicht wissenschaftlich und mit lediglich einem Pferd durchgeführt. Es zeigt aber, dass man bei in vielen Ställen üblicher (zu kurzer!) Verschnallung von Ausbindern das Gegenteil dessen erreicht, was man möchte – man trainiert den Unterhals und Muskulatur, die das Pferd ins Hohlkreuz zieht und das es zu vermehrter Belastung der Beugesehnen kommt. Sicher würde mancher Ausbilder die Ausbinder deutlich länger verschnallen – eine Thermografie, was dann im Pferdekörper passiert (und das bei mehreren Fallbeispielen) wäre interessant.

 

 

 

Fotos: Tanja Albrecht

Hannoveranerwallach Cashew nach 10 Minuten Longieren am Kappzaum (oben) und nach 10 Minuten Longieren mit Ausbindern (unten). (Fotos: Tanja Albrecht)

 

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Category: Pferdegesundheit

Comments (9)

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  1. Heike sagt:

    Hallo. Das mit dem Hals ist super einleuchtend dargestellt, aber hatte das Pferd beide Male einen Sattel drauf? Für mich sieht es so aus, als wäre der heiße Fleck auf dem Latissimus Dorsi genau identisch mit dem Sattel- oder Deckenabdruck auf dem nebenstehenden Foto, (s.a. Gurtlage). Ich bin eine Verfechterin von Hilfszügel- und Gebisslosem reiten, darum fände ich es schade, wenn das Gesamtbild durch einfaches Schwitzen unter der Auflage dadurch verfälscht würde.

    • Redaktion sagt:

      Liebe Heike, danke für Ihre Anregung. Tatsächlich ist es so, dass in der Thermografie verschwitzte Stellen kälter dargestellt werden, weil der Schweiß sehr schnell verdunstet. Aber danke, die Idee ist natürlich gut und muss in folgenden Experimenten beachtet werden.

  2. Sophie sagt:

    Interessant ist der Beitrag, ja definitiv. Allerdings würde mich interessieren wie longiert wurde in beiden Fällen, also am besten Videos. Auch würde mich interessieren, wie sich der Sachverhalt ändert wenn man z. B. verschiedene Ausbinder und verschiedene Längen probiert. Also z.B. Dreiecker weiter eingestellt um dem Pferd nur den Weg nach unten zu zeigen oder alterntiv Gummis. Außerdem denke ich nicht dass es Sinn macht jedem jetzt nen Kappzaum in die Hand zu drücken, sollte auch korrekt erlernt sein….

  3. Eva Küppers sagt:

    Obwohl ich diesen Beitrag anatomisch richtig und reiterlich bzw. aus Pferdesicht sehr wichtig finde, stört mich das experimentelle Set-up. Es bleibt unklar, ob diese Thermoscans bzw. die beiden Longiereineiten direkt nacheinander durchgeführt wurden. In diesem Fall würde das die Aussage stark abschwächen, da natürlich ein Pferd nach insgesamt 20 Minuten longieren eine stärkere Kreislaufaktivierung/Durchblutung aufweist als nach 10 Minuten –> also auch mehr bzw. größere Bereiche rot sind. Vielleicht schreibt Ihr einfach noch, wie lange die Pause zwischen den Longiereinheiten war?

    • Redaktion sagt:

      Liebe Frau Küppers,
      völlig richtig, das Experiment zeigt deshalb natürlich nur eine Tendenz. Die Pause war ca. 15 Minuten lang. Das Ganze muss natürlich wiederholt werden, mit mehr Pferden und an verschiedenen Messtagen.

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