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Es ist Zeit, sich zu entscheiden – Buchpremiere von Christin Krischkes Erstlingswerk

Christin Krischke signiert ihr Buch. (Foto: Kristin Stockhaus)

Christin Krischke signiert ihr Buch. (Foto: Kristin Stockhaus)

Christin Krischke, Direktorin der Fürstlichen Hofreitschule Bückeburg, lud am 24.10.2015 ihre Gäste zu einer Buchvorstellung der besonderen Art ein. Neben erfrischenden und sehr lebendigen Lesungen aus ihrem Buch „Du Entscheidest – Reiten mit gutem Gewissen“, wurde das Programm mit Vorführungen der Hofbereiter und ihrer Schulhengste komplettiert. Während die Geschichte der Reitkunst für uns Zuschauer lebendig wurde, fingen wir an, über unsere (reiterlichen) Überzeugungen nachzudenken.

 

von Stéphanie Kniest

Lasst die Zeitreise beginnen
Bereits das stimmungsvolle Ambiente des Reithauses, der Sekt-Empfang und das herzliche Lachen der Gastgeberin ließ unsere Erwartungen an den Abend steigen. Als wir endlich unsere Plätze am Rand der Reithalle eingenommen hatten, fing die Zeitreise sofort an. Ein Streitwagen aus dem alten Ägypten, gezogen von zwei Shetlandponys, wurde von einer Reiterin begleitet, die uns auf ihrem Schulhengst Reitkunst in Perfektion zeigte. Als Christin Krischke das Wort übernahm, führte sie uns noch weiter durch die Geschichte der Reiterei; vorbei an namenhaften Reitmeistern wie Xenophon, Pluvinel, oder de la Guérinière. Die Lehren der Reitmeister sahen zu diesem Zeitpunkt noch einigermaßen pferdegerecht aus und dem jungen Pferd wurde viel Zeit für seine Entwicklung gegeben, ehe es an seine Ausbildung ging. Doch dies sollte sich schon bald im Laufe unserer Reise drastisch verändern.

Der Zirkus war lange Zeit Bewahrer der Reitkunst. Vorführung im Rahmen der Buchpremiere. (Foto: Kristin Stockhaus)

Der Zirkus war lange Zeit Bewahrer der Reitkunst. Vorführung im Rahmen der Buchpremiere. (Foto: Kristin Stockhaus)

Die Fallen der Stillen Post
Den Anfang nahm diese Veränderung bereits mit dem Übermitteln der Lehren von einer Generation an die nächste. Christin Krischke machte uns in diesem Zusammenhang auf die Problematik des „Stille-Post-Verfahrens“ aufmerksam. Oftmals wird mit Hilfe dieses Prozesses das Wissen zwar (durch Hörensagen) überliefert, doch hat das Ergebnis in vielen Fällen nur noch bedingt etwas mit dem Original zu tun. Der Grund hierfür sind ungenaue Übersetzungen und eigene Interpretationen, die dann so weitergegeben werden. Verdeutlicht hat Krischke dies mit dem Beispiel von la Guérinière, der als Begründer des korrekten Reitersitzes gilt. Leider hat das Ergebnis – das, was wir heute als modernen Reitersitz ansehen – nichts mehr mit dem Original zu tun. Ähnlich erging es La Broue, dem im Stille-Post-Verfahren übel nachgeredet worden ist. Ihm wurde ein sehr gewaltsamer Umgang mit Pferden nachgesagt. Festgemacht wurde dies unter anderem an einer bestimmten Formulierung in seinem Werk, welche nur leider dort nicht zu finden ist. Anhand dieser Beispiele hat Krischke es geschafft, uns alle für dieses Thema zu sensibilisieren. Von nun an werden wir sicherlich die Quellen prüfen, unsere Recherchen vertiefen und nicht mehr alles glauben, was man uns erzählt.

Die nationalsozialistische Militärliteratur hat überlebt
Weiter ging die Reise durch die Geschichte der Reitkunst ins 20. Jahrhundert. Während der Weltkriege hatte sich das Bild der Kriegsführung gewandelt. Große Kavallerieeinheiten wurden gebraucht, die eine simple und schnelle Methode der Ausbildung von Reiter und Pferd verlangten. Für dieses „Mindestmaß an Ausbildung für Reiter und Pferd“ wurde eine Leitlinie verfasst: die Heeresdienstvoraschrift 12. Für die Reitkunst war in diesem Umfeld kein Platz mehr. Mit nur einem Satz machte uns unsere Gastgeberin das Ausmaß dieser Tatsache klar: „Auf diesem nationalsozialistische Werk, welches nichts mehr mit Reitkunst zu tun hat, beruhen die heutigen Ausbildungsrichtlinien der FN!“. Nach diesen provokanten und zugegeben erschreckenden Worten durften wir uns zwar wieder etwas ausruhen und uns an einem Schaubild aus dem Zirkus erfreuen – denn nur dort hat die Reitkunst überleben können – doch es vermochte uns nicht den bitteren Beigeschmack zu nehmen.

Die Geschwister Dehnung und Rollkur
Nach der Zirkuseinlage ging es dann ans Eingemachte. Wir hatten uns bis zur Moderne vorgearbeitet und unsere Aufmerksamkeit wurde nun auf das heutige Geschehen im Reitsport gelenkt. Zuerst wurde die „so en-vogue gekommene Trabverstärkung mit der langen Schwebephase“ kritisch analysiert. Krischkes Meinung nach hat sie weder für das Pferd noch für den Reiter einen positiven Nutzen. Auch wagte die Gastgeberin zu bezweifeln, dass wirklich jeder Reiter, der sein Pferd in verstärktem Trab reitet, dieser Gangart körperlich gewachsen ist. Als nächstes knöpfte sich die Autorin die „allseits so beliebte Dehnungshaltung im Vorwärts-abwärts“ vor. Sie ist davon überzeugt, dass diese Haltung für das Pferd nicht viel besser sei als die der Rollkur. In ihren Augen sind die beiden so etwas wie Geschwister.

Das Rahmenprogramm lockerte die Lesung auf und zeigte: Reiten in Harmonie ist möglich! (Foto: Christin Krischke)

Das Rahmenprogramm lockerte die Lesung auf und zeigte: Reiten in Harmonie ist möglich! (Foto: Christin Krischke)

 

Das Buch ist keine Kampfschrift
Trotz all dieser kritisch hinterfragten Punkte ist Christin Krischke überzeugt, dass es sich bei ihrem Werk keineswegs um eine „Kampfschrift“ handelt. „Es ist eher ein Werk für pferdefreundliches Reiten. Das beinhaltet aber nun mal auch, pferdeunfreundliches Reiten zu identifizieren“, so Krischke. Das pferdefreundliches Reiten möglich ist, durften wir uns dann auch in der Praxis anschauen. Ein wunderschönes Pax-de-Deux, präsentiert von der Hofreitschule Bückeburg, beruhigte unsere Gemüter und rief uns in Erinnerung, wie schön harmonisches Reiten sein kann.

Entscheidungen sollten getroffen werden
An Hand dieser Tatsachen fragt man sich dann doch, ob wir überhaupt noch reiten dürfen. Christin Krischke findet: Ja, das darf man, wenn man mit gutem Gewissen reiten kann. Dazu muss man sich aber informieren um auch die richtigen Entscheidungen treffen zu können. Ihr Buch soll bei der Entscheidungsfindung helfen und zum Nach- beziehungsweise Überdenken anregen. Bereits diese kurze Lesung hat es geschafft, dass mir Zusammenhänge klar wurden und sich mir neue Blickwinkel eröffneten, die zu neuen Erkenntnissen führten. Ich bin mir also sicher, dass mir mit dem Lesen des Buches noch einige interessante, aber auch schwere Stunden des Überdenkens und vielleicht sogar der Erkenntnis bevor stehen werden.

(Stéphanie Kniest)

 

Stéphanie Kniest, Gesamtprogrammleitung im Cadmos-Verlag, und Christin Krischke. (Foto: Kristin Stockhaus)

Stéphanie Kniest, Gesamtprogrammleitung im Cadmos-Verlag, und Christin Krischke. (Foto: Kristin Stockhaus)

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Category: Besondere Themen

Comments (3)

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  1. Ulrike THiel sagt:

    Ich schliesse mich den kritischen äusserungen von FRau Rieskamp an:
    Vor allem wenn man bedenkt dass
    (1) etwa in der klassischen Wiener Schule (Podhajsky) die Wichtigkeit der Bereitschaft des Pferdes sich vorwärts abwärts zu dehnen sowie auch das Aufwärmen im VA Joggen sehr deutlich beschrieben ist, also auch da dazugehört und nicht nur eine Erfindung der HDV ist.
    (2) aus sportphysiologischer SIcht die VA Dehnungshaltung während jeder Trainingseinheit zur Vorbereitung und Entwicklung der Versammlung ebenso nötig ist wie zur Gesunderhaltung des Pferdes als etwas das STrtching und Entspannen zwichen Krafttrainingssequenzen.
    (3) auch aus Psychologischer Sicht die Dehnungshaltung zum immer wieder wiederherstellen der „NullBasis“ ein wichtiges Mittel darstellt die Durchlässigkeit und Entspannung des Pferdes zu kontrollieren und wiederher zu stellen wenn es mal nötig ist.

    Leider suggeriert das BUch, dass eine Nähe zur klassischen Wiener Schule bestünde, was nicht der Fall ist. Die Wiener Schule bis etwa 2000 (Podhajsky, Albrecht etc) geht auch auf De la Gueriniere zurück aber hat sich bewust entschieden Baucher nicht in das System auf zu nehmen. Was in der Reitschule von Frau Krichke passiert ist eher Baucher-Schle als klassische Schule. Ist natürlich auch OK, sollte aber auch so benannt werden.

    • Ulrike THiel sagt:

      Ich möchte , da sich leider mein Text nicht anfüllen oder korrigieren lässt hier noch eine Ergänzung machen. Frau Krischke kritisiert die mündliche Weitergabe der klassischen Reitkunst und warnt vor dem „Stille Post Effekt“. Damit ist vor allem die Wiener Schule gemeint. Aber ähnlich wie in ihren Auführungen über die HDV scheint sie auch hier nicgt allzu tiegf in die Materie vorgedrungen zu sein, da es an der SRS auch schriftliche Direktiven gab, die ziemlich genau umschreiben was da mündluch weitergegeben wurde.

  2. Bianca Rieskamp sagt:

    Liebe Frau Weingand,

    zufällig bin ich auf den Artikel über die Buchvorstellung von Frau
    Krischke gestoßen und bin angesichts der nicht fachlichen Äußerungen zum
    Thema Reitvorschrift von Frau Krischke erstaunt.
    Ich habe das Buch von Frau Krischke vor einiger Zeit von einer Schülerin
    zur Ansicht bekommen und konnte dort schon ersehen, dass Frau Krischke sich
    dem Thema Reitvorschrift nicht richtig genähert hat. Sie unterscheidet
    weder zwischen den einzelnen Ausgaben der Reitvorschrift, noch hat sie sich
    mit der weiteren relevanten Literatur der Verfasser der Reitvorschrift und
    den Vertretern dieser Zeit genähert, die diese genauer beschreiben, um
    Missverständnisse zu vermeiden. (Die Reitvorschrift ist
    bekanntermaßen nur eine abgekürzte Vorschrift für die Offiziere, denen
    diese Art der Pferdeausbildung geläufig war. Die Reitvorschrift wurde 1912
    veröffentlicht, die maßgebliche Ausgabe für die Ausbildung ist
    bekanntermaßen die 1926er Ausgabe, nicht die 1937 er Ausgabe ). Frau
    Krischke macht also den selben Fehler wie die FN, indem sie sich auf die
    falsche Ausgabe beruft und zusätzlich den falschen Umsetzungen der
    Reitvorschrift a la Fn folgt.
    Desweiteren fehlt mir die praktische Begründung. Wo hat Frau Krischke die
    korrekte- und ich meine wirklich die korrekte- Umsetzung der Reitvorschrift
    erlebt samt des Reitens in der Tiefe?

    Zusätzlich sollte die Ausbildung gemäß der Reitvorschrift nicht reduziert werden auf das Reiten in der Tiefe. Diese ist die Grundlage der Ausbildung gemäß der Reitvorschrift, doch sie ist nur Mittel zum Zweck, um ohne Aufbau von Spannungen an die Hinterhand des Pferdes zu kommen. Beim ausgebildeten losgelassenen Pferd wird das Pferd häufig nur zu Beginn des Reitens ein bis zwei Runden auf jeder Hand im Trab in die Tiefe geritten, dies ist also kein langandauernder Prozess, wie fälschlicherweise oft vermittelt wird.
    Genauso wichtig sind weitere, heutzutage in Vergessenheit geratene, Elemente, die kennzeichnend für die Ausbildung gemäß der Reitvorschrift sind. Als Beispiele seien genannt:
     Das Reiten mit hingegebenem Zügel muss beim ausgebildeten Pferd jederzeit in jeder Gangart möglich sein, ohne dass das Pferd davoneilt. Zum Beispiel den Zügel hingeben im Galopp nach fliegenden Wechseln. Das Reiten mit hingegebenem Zügel ist der einzig wahre Prüfstein, dass das Pferd wirklich zwanglos und in Selbsthaltung geht.
     Das Reiten mit einhändiger Zügelführung auf Trense, auch von Lektionen wie Travers, Traversalen etc.
     Das Überstreichen mit einhändiger Zügelführung.
     Als Lektionsabfolge Mitteltrab, daraus Halten, Zügel hingeben. Hier muss das Pferd ruhig stehen. Ist das nicht der Fall, ist durch das Schwungholen im Mitteltrab durch eine falsche Ausführung eine unerwünschte Unruhe entstanden.
     Das Überstreichen in der Trabverstärkung mit einhändiger Zügelführung. Hier darf das Pferd weder davoneilen noch die Selbsthaltung verlieren.

    Aufgrund des Studiums einiger Bücher und der falschen Umsetzung der heutigen Sportreiter
    kann niemand behaupten, die Ausbildung gemäß der Reitvorschrift
    beurteilen zu können.

    Es wurde keine simple Methode der Pferdeausbildung benötigt, sondern
    eine, die es möglicht macht, dass auch der Durchschnittsreiter sein Pferd
    sicher im Gelände beherrschen kann (erklärtes Ziel der Reitvorschrift),
    denn nur so wurde das Überleben möglich. Bei diesem Reiten im Gelände
    mussten unter anderem auch natürliche Hindernisse etc überwunden werden,
    bei dessen Anblick alleine unsere heutigen Viereckakrobaten schon vom
    Pferd fallen würden.
    Außerdem sollte dies mit allen zur Verfügung stehenden Pferden möglich
    sein, nicht nur mit Pferden geeigneter Rasse und optimalen Exterieurs.
    Zusätzlich sollte es eine Form der Ausbildung sein, die auch der
    Durchschnittsreiter umsetzen kann und es sollte eine vielseitige Ausbildung
    ermöglichen, also auch das Geländereiten, Jagdreiten, Springreiten,
    Dressur. Auch Reiten ohne Zäumung war damals schon als Schaubild zu
    sehen.

    Mit welcher Argumentation Frau Krischke die Rollkur mit der
    Dehnungshaltung gleichsetzt bleibt ihr selbst vorbehalten, da dazu nichts
    gesagt wird. Die Reitvorschrift richtet sich nach der Natur des Pferdes.
    Ein psychisch und physisch völlig entspanntes Pferd ist freilaufend immer
    in Dehnungshaltung zu beobachten. Ein Pferd, welches sich freilaufend
    anspannt, geht meistens aufgrund der immens großen Anspannung kurz vor
    dem Buckeln mit der Stirn-Nasenlinie hinter der Senkrechten. Diese beiden
    Haltungen unterscheiden sich grundsätzlich voneinander.
    Gert Schwabl von Gordon, mein Reitlehrer, hat sein Wissen von seinem Vater bekommen, der selbst als Reitlehrer an der Kavallerieschule Hannover tätig war. Er ist damit wahrscheinlich der einzige noch lebende Reiter und Reitlehrer, der sein Wissen bezüglich der Umsetzung der Reitvorschrift aus erster Hand erfahren hat. Als seine Schülerin konnte ich selbst erfahren, wie entscheidend die richtige Umsetzung der Reitvorschrift ist und wie unverzichtbar die heutzutage meistens vergessenen Elemente sind, die Herr Schwabl von Gordon unverfälscht lehrt. Für mich, die vorher den Weg der Bereiterausbildung gegangen bin, bedeutet diese korrekte Form der Umsetzung, dass ich erfahren habe, dass es sich um völlig verschiedene Reitweisen handelt, ob wirklich klassisch nach der Reitvorschrift bei Herrn Schwabl von Gordon geritten wird oder ob dies bei jemandem geschieht, der sich auf die Reitvorschrift beruft, von dessen Umsetzung aber in der Regel nur eine vage Ahnung hat.

    Herr von Neindorff, Richard Wätjen und viele weitere Meister, die ihre
    Pferde nach der Reitvorschrift ausgebildet haben, sind desweiteren das beste
    Aushängeschild für die pferdefreundliche Ausbildung gemäß der
    Reitvorschrift.

    Herzliche Grüße,
    Bianca Rieskamp

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