Gedanken zum Sitz
… von Anja Beran |
Wie man zu Pferde sitzen sollte, ist in der Fachliteratur über Jahrhunderte hinweg detailliert beschrieben worden. Trotzdem drängt sich immer wieder die Frage auf: Warum gelingt es nur so wenigen Reitern, schonend fürs Pferd, entspannt für sich – und dennoch effektiv zu sitzen?
Eine der häufigsten Ursachen von Sitzproblemen liegt in der Tatsache, dass man seinen Körper oft nicht so koordinieren kann, wie man möchte. Andererseits fehlt meist das Bewusstsein, aber auch das Wissen, wie man genau in einem bestimmten Moment sitzen sollte, um kein Störfaktor zu sein, sondern dem Pferd Hilfestellung zu geben.
Ein guter Sitz muss sich vor allem an das jeweilige Pferd anpassen.
Das heißt, dass ich auf einem jungen Pferd anders sitzen muss als auf einem älteren, gut ausgebildeten Pferd. Auf einem schiefen Pferd muss ich mich anders platzieren als auf einem Pferd, das zur Korrektur kommt, weil es im Rücken verspannt ist. Und wenn ich eine Lektion beibringe, sitze ich wiederum anders als auf einem Pferd, das die Lektion sicher beherrscht.
Die Situation bestimmt den richtigen Sitz
Auf jungen Pferden, die ich anreite, darf ich nicht schwer einsitzen. Ich trabe leicht, entlaste den Rücken des Pferdes im Galopp und gehe mit meinem Gewicht ganz behutsam im Sattel um, ich versuche mich leicht zu machen. Ich versuche, mich möglichst gut anzupassen, und verhalte mich bei Störungen im Takt oder kleinen Seitensprüngen unauffällig und passiv im Sattel – das Pferd soll die Chance haben, seine Balance zu finden, obwohl es mich als „Passagier“ dabeihat. Mein Gewicht ist dann eher auf den Bügeln und den Knien als im Sattel. Meine Hände lasse ich tief am Hals abgestützt und öffne die entsprechende Zügelhand seitlich, wenn ich eine Wendung reiten möchte, um sie dann wieder ruhig am Hals abzustellen. Diese Art zu sitzen unterscheidet sich erheblich von dem Sitz auf einem gut ausgebildeten Pferd! Der korrekte Dressursitz ist aus meinen Beobachtungen nur dann dem Pferd keine Last, wenn der Reiter in der Lage ist, zügelunabhängig zu sitzen und sein Becken unabhängig vom Oberkörper zu bewegen. Für viele Menschen ist das sehr schwer umzusetzen – sie bewegen immer den kompletten Rumpf mit dem Becken, sobald sich das Pferd in Bewegung setzt. Das sieht nicht nur unschön aus, sondern ist für den Pferderücken extrem störend. Die Pferde verspannen sich in der Regel, weil der Reiter steif im Sattel schiebt oder in den Sattel „hämmert“. Ein unabhängiges, geschmeidiges Becken, das vorwärts und rückwärts abkippen kann und zu allen Seiten beweglich ist, ist dann nicht vorhanden. Gute Erfolge konnte ich mit Reitschülern erzielen, die ich zum Bauchtanz geschickt habe. Sie haben auf diese Art sowohl mehr Körperbewusstsein als auch mehr Beweglichkeit im Becken bekommen.
Tänzer sind im Vorteil
Neben dem geschmeidigen Becken ist eine gut funktionierende Bauch- und Rückenmuskulatur von großer Bedeutung. Nur wenn ich in der Lage bin, meine eigene Wirbelsäule aufzurichten und sie durch meine Bauch- und Rückenmuskeln stabil zu halten, wird sich auch mein Pferd aufrichten. Wenn ich selbst mit eingezogenem Bauch, runder Schulter und einem runden Rücken auf dem Pferd sitze, dann kann ich auch von meinem Pferd keine bessere Haltung verlangen. Viele Lektionen, wie z. B. das Einleiten von Piaffe und Passage, aber auch das Reiten von Übergängen, verlangen eine gut funktionierende Bauchmuskulatur.
Hat der Reiter diese nicht, bleibt die Einwirkung meist nur Hand und Schenkel überlassen und wirkt entsprechend plump! Bauch- und Rückenmuskeln sind auch wichtig, um unserem Pferd zu helfen, im Gleichgewicht zu gehen. Wenn ich auf seinem Rücken sehr instabil hin und her schwanke, dann kann es passieren, dass mein Pferd anfängt zu torkeln beziehungsweise ständig versucht, unter mein Gewicht zu laufen, was nahezu unmöglich ist, weil es sich ja dauernd verändert. Generell sind Menschen, die zum Tanzen oder ins Ballet gehen, im Vorteil, da sie Körperbeherrschung und Körperspannung gelernt haben …
Auszug aus dem Artikel „Gedanken zum Sitz“ von Anja Beran.
Lesen Sie den ganzen Artikel in „Feine Hilfen“ Ausgabe 1, März 2013.
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