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Meinung: Trainerhopping – zwischen Wechsel und Konstanz

Foto: Katharina Gerletz

Foto: Katharina Gerletz

von Anna Eichinger

(Meinungsbeitrag aus der neu erschienenen Feine Hilfen Ausgabe 10)

Es gibt Schüler, die treffsicher und mit Bedacht viele Trainer konsultieren und durch die Kraft geballten Wissens sicheren Fortschritt und Zufriedenheit erzielen. Es gibt aber auch Reiter, die frustriert von Trainer zu Trainer „hoppen“. Dieses – durch Misserfolg und Frustration verursachte Trainerhopping soll in diesem Artikel genauer unter die Lupe genommen werden.

Früher herrschte in den Reitschulen ein strenges Regiment. Der Reitlehrer gab den Ton an und die Abteilung folgte ehrfürchtig. Wer sich an die Kinderreitschule erinnert, spürt manchmal noch die Schwielen an den Fingern, den Kloß im Hals, wenn man mit scharfem Ton zurechtgewiesen wurde, und die große Erleichterung, wenn dann doch mal gelobt wurde. Der scharfe Ton ist zum Glück etwas abgeklungen. Die Erinnerung jedoch bleibt. Ein weiteres Merkmal des „Unterrichts von gestern“ war die fixe Verortung von Reitlehrern. Es gab keine mobilen Trainer, daher waren Schüler durch den Standort an den Reitlehrer gebunden. Ein Wechsel des Lehrers bedeutete für die Schüler zugleich ein Wechsel der Reitschule, was aufgrund der weiten Distanzen und des geringeren Angebots seltener vorkam – auch wenn man mit dem Trainer nicht so ganz zufrieden war.
Heute kann man sich meist den Trainer nach Belieben aussuchen und in den Stall kommen lassen. Trainer werden entweder per Mundpropaganda weiterempfohlen, im Internet auf Herz und Nieren geprüft und stößt in Reiterforen auf Kritik oder Lob. Ob ein Schüler treu ist oder sich – im Extremfall – von Probestunde zu Probestunde hantelt, hat in manchen Fällen nur bedingt mit der Qualität des Trainers zu tun. Häufige Trainerwechsel passieren, wenn Marketing, Psychologie und Konsumverhalten auf die Reitlehre treffen.

Drum prüfe, wer sich ewig bindet?

Es gibt sie: die treuen Schüler. Die einen arbeiten seit Jahren gut mit dem Trainer zusammen, hinterfragen gemeinsam und kommen so auch voran. Die anderen sind zwar seit Jahren treu, aber insgeheim unzufrieden. Seltene Highlights in den Stunden sorgen wieder kurzzeitig für Zufriedenheit und Bestätigung. Die Treue des Schülers liegt daher weniger in den eigenen Fortschritten begründet als im tiefen Glauben an die Kompetenz des Lehrers. Zweifel und Fragen traut man sich nicht offen anzusprechen. Sein Wort ist Gesetz. Kritische Stimmen von außen sorgen beim Schüler für Bauchschmerzen, die man mit einer raschen Gegenargumentation loszuwerden hofft.
Der Unterschied zwischen den zwei Typen? Der erste Schüler prüft den Trainer vorab auf Herz und Nieren. Passen die Ziele mit der Methode des Trainers zusammen? Wie unterrichtet der Trainer? Gibt es ein pädagogisches Konzept für Pferd und Mensch? Kann der Trainer Fragen mit logischen Antworten und Zusammenhängen begründen oder wird man mit altbekannten Floskeln abgespeist? Der zweite Typ, treu, aber unglücklich, kam meist über eine Empfehlung zu seinem Trainer. Eine Überprüfung der Qualität blieb jedoch aus. Er traut sich nicht, seine Wünsche und Ziele zu äußern. Im Restaurant würde er wohl auch nie eine Speise zurückgehen lassen und den halb vollen Teller mit seiner eigenen Unzulänglichkeit entschuldigen. Ein netter Typ, der seine eigenen Ansprüche zugunsten der anderen ständig zurückschraubt.

Ich will so sein wie du, mein Guru

Trainer haben oft eine ganz besondere Aura. Das hat einerseits mit der Kompetenz zu tun, andererseits mit Selbstsicherheit, die durch fundiertes Können entsteht. „Ich will so sein wie du“ – wer kennt diesen Gedanken nicht? Und warum werden so manche Trainer als „Guru“ bezeichnet? Der Begriff „Guru“ kommt eigentlich aus der hinduistischen beziehungsweise der buddhistischen Ecke und bezeichnet den unentbehrlichen Lehrer, der dem Schüler den Weg zur Erlösung zeigt. Geht es ums Reiten, wird der Begriff oftmals abwertend oder spöttisch verwendet, häufig sogar an Fachleute mit überdurchschnittlichem Wissen, langer Erfahrung und charismatischer Ausstrahlung adressiert. „Ich will so sein wie du“ – der eine möchte gleich oder annähernd so gut wie das Vorbild werden, der andere reagiert mit der klassischen Neidreaktion. Letztere ist in der Folge für die Abwertung und Bezeichnung als „Guru“ verantwortlich. Provokant gesagt: Je mehr Menschen sich für einen Trainer interessieren und mit seinen Methoden erfolgreich werden, desto eher werden die Glaubenssätze des Kritikers infrage gestellt. Und niemand stellt sich selbst gern infrage – vor allem, wenn man jahrelange Arbeit in seine aktuellen Fähigkeiten als Freizeitreiter gesteckt hat. Die Folge ist die verbale Abwertung, um sich selbst wieder auf ein erträgliches Niveau aufzuwerten.
So sorgen reiterliche Gurus mit ihren Lehren und ihrem Wissen auch häufig für Glaubenskriege und Diskussionen unter ihren Schülern, die Dank der Anonymität und Distanz des Internets auch mal feste unter die Gürtellinie gehen.
Egal welche Schule nun verfolgt wird – der eine Schüler möchte also gern so sein wie sein Idol. Der Trainer wird nicht infrage gestellt. Bis zum Tag X. Zu diesem Zeitpunkt hat der Schüler ein gewisses Niveau erreicht und möchte aus dem Schatten seines Trainers heraustreten. Immer häufiger steht nun der Trainer selbst in der Kritik des Schülers, der die Ratschläge und Korrekturen seines Lehrers immer seltener annimmt. Je weiter der Schüler kommt, desto geringer wird die Vorbildfunktion des Lehrers – bis zur vollständigen Abnabelung. Ebenso häufig an dieser Stelle zu beobachten: Trennungen dieser Art erinnern an das Aus einer jahrelangen Partnerbeziehung. An dem vormals hochgelobten Lehrer wird kein gutes Haar gelassen. Relativ selten ist das Eingeständnis, ohne diesen Trainer gar nicht so weit gekommen zu sein. Ein neuer Guru hat den alten vom Sockel verdrängt. Entweder ist der Schüler sich selbst genug oder aber er hat ein neues Idol.

Darf man sich nicht das Beste rauspicken?

An dieser Stelle kommt unweigerlich die Frage auf: Darf man sich denn nicht unterschiedlichste Anregungen holen? Ja sicher, unbedingt sogar! Aber hier gibt es eben unterschiedliche Stile und Umgangsformen.
Harmonie ist sehr schwer zu beschreiben. Daher fällt es vielen Menschen auch schwer zu beschreiben, was sie eigentlich suchen. Losgelassenheit, Leichtigkeit – zutiefst subjektive Gefühle machen die Einordnung in ein quantitativ messbares System schwierig. Es ist leichter, die Korrektheit von Bahnfiguren beschreib- und erlebbar zu machen, als Gefühle und Ziele in einem Trainingsplan zu vereinbaren.
Häufige Trainerhopper sind sich der raschen Wechsel bewusst. Sie selbst beschreiben sich als Schüler, die „sich überall das Beste rauspicken wollen“. Hier greife ich sehr gern zu einem „Diätvergleich“, wenn das Beste ohne Reflexion und Zusammenhänge herausgepickt wird. Wer nur eine Woche bei einer Diät bleibt, erreicht kein nachhaltiges und längerfristiges Ergebnis. Ebenso wenig kommt derjenige ans Ziel, der sich die Rosinen rauspickt. Manche Diäten schließen süße Gaumenfreuden in Maßen genossen nicht aus. Man kann sich ausmalen, was passiert, wenn nur nach den Dessertvorschlägen gekocht wird. Wer nur selektiv den Anweisungen seines Trainers folgt, weil er sich ja nur das Beste rauspicken will, arbeitet nach einem Konzept voller Lücken. Ein Trainerwechsel ist somit keine Erfolgs-, sondern eine Emmentaler Garantie, löchrig wie Schweizer Käse.
Manche Trainer sind es leid, ständig ausgewechselt zu werden, und unterstützen deshalb ihre Schüler dabei, das Wechselverhalten in andere Bereiche zu projizieren. Wenn es im Training nicht klappt, wird das auf mangelhafte Sättel, Verspannungen im Pferderücken, zu behandelnde Zähne oder eine unpassende Trense geschoben. Der Sattel ist schließlich nicht persönlich gekränkt, wenn er in den Kleinanzeigen landet. Für Pferde, deren Besitzer sich aus der Verantwortung stehlen, kann das Abschieben auf die Verkaufsseiten aber tragisch enden. Der Schüler wird durch diese zweifelhafte Unterstützung des Trainers nur im Glauben bestärkt, irgendwann den „magischen Knopf“ finden zu können, der alle reiterlichen Probleme ausmerzt. Die Einsicht, dass der Fehler mitten im Sattel sitzt, tritt – im schlimmsten Fall – nie ein. Interessanterweise konsultieren die meisten Reiter statistisch häufiger den Sattler, als an einer Sitzschulung teilzunehmen.
Stichwort (Beratungs-)Resistenz: Einige Schüler kennen ihr Pferd in- und auswendig (oder besser gesagt die eigene Interpretation darüber). Sie lassen sich oftmals gar nicht auf den Trainer ein und ersparen sich so häufige Wechsel, indem sie wieder überwiegend allein trainieren. Schließlich wissen sie ohnehin, was für das geliebte „Gauli“ am besten ist. Eine andere nicht zielführende Möglichkeit ist, nicht für den Unterricht zu bezahlen, sondern für die Bestätigung. Diese Schüler holen sich nur den Trainer in den Stall, der überwiegend die eigenen Theorien des Reiters bestätigt und bestärkt.

Es geht um nichts?

Kann man Fußballtrainer mit Reittrainern vergleichen? Fußballtrainer sind der Sündenbock für das gesamte Versagen einer Mannschaft. Auch wenn die Mannschaft an diesem einen Tag wirklich schlecht gespielt hat.
Reittrainer werden ebenso für das Gelingen oder Misslingen verantwortlich gemacht. Dabei geht’s ja um nichts – lediglich um unser eigenes Vergnügen. Wir reiten heute, weil wir mit Pferden „unsere“ Zeit schön verbringen können. Wir müssen nicht. Wenn wir uns auf unsere Pferde einlassen, können wir von ihnen enorm viel (vor allem über uns selbst) lernen. Dies ist auch mit der Unterstützung von guten Trainern möglich. Wir können uns noch an Lehrer aus der Schulzeit erinnern, deren Kritik wir aufgrund von großer Sympathie gern annehmen konnten. Wenn Trainer gewechselt werden, dann kann die Ursache auch an mangelnder Sympathie liegen; manchmal fühlen wir uns als „Kunde“ aber auch schlecht beraten. Das würde die Frage aufwerfen, ob wohl die Zeit, in der die Reitlehrer das Sagen hatten, besser war. Reiter waren gezwungen, sich mit diesem einen Reitlehrer auseinanderzusetzen. Heute ist der Kunde König. Menschen, die sehr empfindlich auf Kritik reagieren, investieren dann lieber in andere Dinge als in fundierten, aber halt auch kritischen Unterricht. Ein bisschen Ursachen- und Nachforschung, was man erwartet und erreichen will, wäre hier wohl hilfreicher als planloses Wechseln.
Kommt es zur Annäherung zwischen Schüler und Trainer, ist eine der ersten Fragen (durchaus berechtigt) die nach den Kosten. Zunehmend ist in unserer Gesellschaft generell eine „Wer zahlt, schafft an“-Mentalität festzustellen. So neigen Menschen vermehrt dazu, rasche Belohnungen zu erreichen. In der Freizeit muss man heutzutage Spaß haben. Diesem Konsumgedanken zufolge ist es natürlich logisch, nicht für etwas zu bezahlen, das keinen Spaß macht.

Monogam oder polygam?

Was ist nun besser – eine „monogame“ und möglichst langfristige Zusammenarbeit mit dem Trainer? Ständige Wechsel, aber monogam, oder ein polygames Verhältnis zu einigen Coaches? Warum klappt es bei den einen, sich tatsächlich nur die Rosinen rauszupicken, und bei den anderen nicht? Das Geheimnis ist der rote Faden! Wer diesen für sich und sein Pferd gefunden hat und Ziele sehr genau definiert, der weiß auch, was er sich von Trainer A und Trainer B abholen kann und möchte. Aber häufige Trainerwechsel, manchmal auch Rückkehr zu „konsumierten“ Trainern, lösen bei Stallkollegen besonders dann Unverständnis aus, wenn der Schüler den Trainer heute stark kritisiert und morgen in den Himmel lobt. Was dabei deutlich wird: Der Schüler hat weniger an den eigenen Fehlern reiterlicher Natur gearbeitet, ist dafür aber in der Lage, in jedem Debattierklub zu bestehen (auch für eine politische Karriere wären damit schon einige Kompetenzen errungen).
Das Fazit: Wer noch keinen roten Faden für die begehrten Rosinen gefunden hat, könnte den geeigneten Trainer mithilfe einer Selbstanalyse finden. Kann ich gut zuhören? Kann ich mich gut auf Kritik einlassen? Picke ich mir nur das raus, was mir schmeckt? Kann ich Fragen an meinen Lehrer formulieren und bekomme ich zufriedenstellende Antworten? Bin ich zu ungeduldig? Gebe ich dem Trainer eine reelle Chance, mir und meinem Pferd zu helfen? Wenn mal etwas nicht klappt, wie oft gebe ich mir selbst die Schuld? Und bin ich fair zu meinem intimsten Trainer – höre ich auf das, was mir mein Pferd an Feedback mitgibt?
Lernen ist ein sehr individueller Prozess, der aus Geben und Nehmen besteht. Die Skala der Ausbildung nennt Balance, Takt, Losgelassenheit, Anlehnung, Schwung, Geraderichtung und Versammlung. Diese Komponenten können uns helfen, die Arbeit mit unserem Pferd zu überprüfen. Genau genommen aber auch, ob es mit dem Trainer klappt. Haben wir den richtigen Takt füreinander? Kann ich bei dem Trainer ehrlich loslassen und mir etwas sagen lassen? Kann man sich anlehnen? Stimmt die Chemie – also die Schwingungen? Hilft mir mein Trainer dabei, meine eigene Schiefe auf dem Pferd zu korrigieren? Und schaffe ich es, aus der Sammlung seiner Anweisungen etwas auf den Rücken der Pferde mitzunehmen?

Wer weiß, welche Bausteine für den roten Faden fehlen, setzt diesen dann mithilfe eines kompetenten Trainerteams auch leichter zusammen. Oftmals ist also weniger das „Hopping“ das Problem, sondern das Unwissen über die eigenen Ziele und Wünsche!

 

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Category: Aktuelle Themen

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