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Gedanken zum Weltfrauentag

von Agnes Trosse

 

Heute ist Weltfrauentag. Wir leben in einer Welt, in der Frauen auch heute noch in weiten Teilen keine oder weniger Rechte haben als Männer. Im Vergleich dazu geht es uns hier in Deutschland doch gut, oder? Dass wir in Europa allerdings immer noch große Unterschiede sehen in der Behandlung von Männern und Frauen können wir alle heute wieder in den Nachrichtensendungen verfolgen. Das betrifft vor allem Arbeitsstellen, Bezahlung von Arbeit und veraltete Rollenmodelle in Familien. Hier gibt es auch im Jahr 2023 noch deutliches Entwicklungspotential. In Anbetracht dieser Ziele und vor dem Hintergrund, dass Frauen in manchen Ländern zur Zeit im Kampf für ihre Rechte sterben, wirkt das, was ich heute ansprechen möchte, relativ unbedeutend. Und doch ist es etwas, das immer noch mit jahrhundertealten Rollenvorstellungen, sowie auch mit dem Umgang mit unseren Pferden zu tun hat und uns viel zu selten bewußt ist.

Wie steht es um die Gleichberechtigung in der Reiterwelt?

Nun mag man oberflächlich denken: In der Reiterwelt ist in Pukto Gleichberechtigung alles in Ordnung. Ponyhof eben. Sind ja auch gefühlt fast nur Frauen unterwegs. Aber wer sich mit Ponyhöfen auskennt, weiß, dass der Spruch von jemandem erfunden wurde, der von Pferdeäpfeln, tonnenschweren Mistkarren, Offenställen im Matsch und der sonstigen harten Arbeit, die jeden Tag verrichtet werden muss, keine Ahnung hatte.

Derselben Wahrnehmungsdiskrepanz sind Frauen in der Reiterwelt ausgesetzt.
Auf den ersten Blick, ist Reiten eine Frauendomäne. Laut einer Studie des Marktforschungsunternehmens IPSOS aus dem Jahr 2019 sind 78% der regelmäßig aktiven Reiter in Deutschland Frauen. Rund 80% der FN-Mitglieder waren im Jahr 2021 Frauen. Doch schon hier, bei der FN, wird es spannend: Im 19-köpfigen Sport-Vorstand des DOKR und der Deutschen Reiterlichen Vereinigungen sitzen laut der FN Website genau drei Frauen. Heidi van Thiel, ist für den Bereich Jugend verantwortlich, Silke Gärtner für den Bereich Breitensport, Kerstin Nimmesgern für den Bereich Voltigieren. Alle anderen Kompetenzen sind von Männern besetzt. Im neunköpfigen Zucht-Vorstand findet sich auf der Website lediglich eine Frau. Der Geschäftsführende Vorstand der FN besteht ausschließlich aus Männern. Da Reiten nicht erst seit gestern eine Tätigkeit ist, die besonders bei Frauen beliebt ist, könnte einen dieses Geschlechter-Verhältnis verwundern. Wie kann eine landesweite Vereinigung im Sinne ihrer zu 80% weiblichen Mitglieder agieren, wenn kaum Frauen an den entscheidenden Positionen sitzen?

Liegt es an der Wahrnehmung der Frau im Reitsport? Verfolgt man Diskussionen im Netz, bei denen es darum geht, dass bestimmte Verhaltensweisen im Umgang mit dem Pferd kritisiert werden, kommt es früher oder später zu der Aussage: „Ach ja die Wendyfraktion…“
Die „Wendy“ oder alternativ „das Pferdemädchen“ – eine Spezies, die es wohl nicht nur im deutschsprachigen Raum gibt. Beide Begriffe zielen darauf ab, Frauen im Pferdesport zu diskreditieren und ihnen ihre Kompetenz abzusprechen. Und das Interessanteste daran: Sie werden gerne auch von Frauen benutzt um andere Frauen zu diskreditieren (Bevorzugt in Social Media Diskussionen, in denen das Pferdewohl in den Blickpunkt gerückt wird). Und das passiert gar nicht mal so selten.

Die Vogue Autorin Lisa Ludwig schrieb 2001 eine wunderbare Kolumne zu diesem Thema. Darin steht:

„Pferdemädchen sein heißt oft auch: der Lächerlichkeit preisgegeben zu sein. Pferdemädchen, das sind die, die immer ein bisschen müffeln. Die abseits des Reitstalls kein Leben haben und sich mehr für Ponys als Jungs interessieren. Die Art von Klassen-Weirdos, die auch im Teenage-Alter noch ein Hausaufgabenheft mit weißem Araber auf dem Deckblatt besitzen und im Bio-Unterricht darauf hoffen, dass sie ihr in Wendy-Magazinen und Fachbüchern angelesenes Wissen irgendwann doch noch gewinnbringend loswerden können.“

Weiter zitiert sie dort einen Reddit Post: “Wenn ein Mann Fische mag und jedes Wochenende fischen geht, ist er ein Fischer. Wenn ein Typ die ganze Zeit Rehe jagt, ist er ein Jäger. Wenn jemand besessen ist von Videospielen und seine Freizeit damit verbringt, YouTube-Videos dazu aufzunehmen, wie man das Spiel komplett durchspielt, ist er ein Gamer. Aber habt ihr jemals gehört, dass eine Frau, die Pferde mag und gerne reitet, als Reitsportlerin bezeichnet wurde? Nein, wir sind ‘Pferdemädchen’. Wir sind ‘verrückt’.”

Und weiter: „Ich könnte mich nicht entsinnen, dass irgendwelche Jungs jemals dafür angegangen wurden, in jeder freien Minute Fußball zu spielen und alle Spieler ihres liebsten Vereins an den Waden zu erkennen. Filme, in denen es primär um Reitsport oder Pferde geht, werden abfällig belächelt und als albernes Nischenprodukt abgetan, aber Leute feiern eine Filmreihe, in der Vin Diesel zum mittlerweile neunten Mal absurd hässliche Spoiler an tiefergelegte Autos schraubt, um anschließend damit ins Weltall zu fliegen?“

Natürlich kann man nicht alles nur darauf reduzieren, dass nur Frauen unter diesen Vorstellungen leiden. Auch gibt es Jungen oder Männer, die sich nicht trauen, reiten zu gehen, aus Sorge, sie würden dann als unmännlich gelten. So machte ein Bekannter von mir die Erfahrung, das seine Erzählung, er sei früher geritten, bei seinen Freunden direkt zu Witzen und heiteren Assoziationen mit dem Voltigieren und Spandexanzügen führte. Auch im Jahr 2023 sitzen überholte Rollenbilder noch tief.

Ist es nicht eigentlich Zeit, dass wir uns davon verabschieden? Das würde sicher auch unseren Pferden zugute kommen. Ich habe heute noch den Link zu einem Teaser für das Cadmos Buch „Equus Lost“ gepostet. Eigentlich, weil der Inhalt dieses Titels in der aktuell geführten Diskussion um eine Fernsehserie so sehr weiterhelfen kann. Meiner Ansicht nach hat die Vorstellung von Frauen im Reitsport auch viel mit der Wahrnehmung von Pferden in unserer Gesellschaft, wie in diesem Buch thematisiert, zu tun. Vielfach ist es vielleicht gerade das „Pferdemädchen“-Klichee, das dazu führt, dass Frauen zeigen wollen, wie tough sie sind. Dass sie„ihren Mann stehen“ können. Dass ihnen so ein Pferd nicht auf der Nase rumtanzt. Denn das wird vielfach von den Männern auch vorgelebt (allerdings – und das darf nicht unerwähnt bleiben – natürlich nicht von allen!). Dazu kommen dann Dominanztheorien, eine immer noch stark militärisch geprägte Reitausbildung und die Tatsache, dass wir meist sehr autoritätenehrfürchtig erzogen wurden.

Die Welt-Autorin stellt in einem Artikel aus 2022 die Frage nach der Herkunft des Pferdemädchen-Klichees, ob Pferdemädchen nur deshalb als peinlich bewertet werden, weil sie etwas machen, das Männer schon immer gemacht haben. Spannend… Das „Pferdemädchen-Klichee“ als Ausdruck patriarchaischen Gedankenguts, Ausdruck einer Angst vor der Frau, die dazu führt, diese klein zu halten. Unterdrückung an sich als Ausdruck von Angst zu verstehen lässt sich am Ende auch auf die Situation des Pferdes übertragen und damit auch auf die ständig aktuelle Frage warum Gewalt an Pferden immer noch so eine hohe Akzeptanz in unserer Gesellschaft geniesst – ja vielfach gar nicht als solche wahrgenommen wird. All diese Gedanken lassen sich sicher noch weiter spinnen und es gibt noch etliche weitere Aspekte, die in diesem Zusammenhang erwähnenswert wären. Das würde den Rahmen dieses Artikels allerdings sprengen. Ich denke, der Weltfrauentag kann durchaus Anlass sein, dass wir Frauen uns Gedanken über unsere Rolle in der Pferdewelt machen.

 

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Category: Besondere Themen, Reiter

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